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Schweiz Experte fordert Jugendarbeit in Moscheen

Was tun mit jungen potenziellen Gotteskriegern in der Schweiz? Für den Experten für Gewalt- und Extremismusprävention, Samuel Althof, ist klar: Wer sich radikalisiert, ist meist sehr verunsichert und hat kaum belastbare Beziehungen. Sein Rezept: frühzeitig erkennen und aufklären auf allen Ebenen.

Sie sind jung und sie sind offen für die radikalen Botschaften fundamentalistischer Prediger: Jugendliche, die zum ultraorthodoxen Islam übertreten und dann bei Gotteskriegern, den Dschihadisten, ihr Glück versuchen. Solch junge Konvertiten gibt es auch in der Schweiz.

Wie viele es sind, ist umstritten. Deren Zahl sei auch gar nicht so wichtig, erklärt Samuel Althof, Leiter der Fachstelle für Extremismus- und Gewaltprävention in Basel, die von einem privaten Verein getragen wird.

Der Experte für politischen Radikalismus ist in jüngster Zeit vermehrt mit Dschihad-gefährdeten Jugendlichen konfrontiert. Etwa wenn ein junger Mann in der Berufsschule mit gewaltverherrlichenden Sprüchen und Waffen auf seinem T-Shirt provoziert. Oder wenn eine junge Frau pötzlich das Kopftuch trägt und damit ihre areligiösen Eltern schockiert.

Wenn in solchen Fällen massive Konflikte ausbrechen, spricht Althof nicht nur mit den direktbetroffenen Jugendlichen, sondern auch mit deren Bezugspersonen und Behörden: «Wer sich radikalisiert, ist meist sehr verunsichert und hat kaum belastbare Beziehungen», beobachtet der 60-Jährige immer wieder.

Sozial verwaist

Althof spricht von «sozialen Waisenkindern»: Sie seien von ihren Eltern verlassen oder teilweise verlassen, auch wenn sie mit ihnen zusammenlebten. Die Kontakte in Schule oder Ausbildungen seien defizitär. Die Jugendlichen stünden zwar mit ihrer Umwelt in einem Kontakt, doch innerlich lebten sie an einem anderen Ort. Halt suchten sie dann in radikalen Gruppierungen.

Das hat Althof so in seiner Arbeit mit links- und rechtsextremen Jugendlichen immer wieder erlebt. Ähnlich laufe es bei jungen Leuten ab, die vom gewaltbereiten Islamismus fasziniert seien und nicht selten die Religion auch als Revolte gegen ihre Eltern entdeckten.

Jugendarbeit in Moscheen

«Ich habe hauptsächlich mit Jugendlichen zu tun, die einen Migrationshintergrund haben. Deren Eltern haben eine distanzierte oder sogar ablehnende Beziehung zum Islam», sagt Althof weiter. Wer von «Dschihad-Pop» spreche, dem pupertären Liebäugeln westeuropäischer Jugendlicher mit islamistischer Gewalt, habe nicht ganz unrecht.

Moschee im Haus der Religionen in Bern
Legende: Moschee im Haus der Religionen in Bern, das verschiedenen religiösen Gemeinschaften dienen soll. Keystone/Archiv

Falls dann Eltern oder andere Bezugspersonen übertrieben hart reagierten, trieben sie ihre Kinder erst recht in die Fänge von gefährlichen Freunden, zumal in den meisten Moscheen eine ernstzunehmende Jugendarbeit fehle: «Wenn Moscheen Jugendarbeit entwickeln würden, wäre das Präventionsfeld tatsächlich grösser, und damit die Chance, Jugendliche frühzeitig zu erkennen und mit ihnen das Gespräch zu suchen.

«Internet-Streetworking»

Den Kontakt mit Jugendlichen versucht Althof auch via soziale Medien und einschlägiger Webseiten herzustellen. «Internet-Streetworking» heisst der von ihm geprägte Begriff. Was bei Links- und Rechtsradikalen recht oft gelang, ist bei Islamisten allerdings schwieriger, auch weil die einschlägigen Internetseiten zum Teil in Arabisch abgefasst sind. Die beiden jungen Leute, mit denen Althof im Moment arbeitet, wurden ihm denn auch von alarmierten Behörden zugewiesen.

In der Schweiz gebe es keine Hinweise auf konkrete Bedrohungen und Anschlagspläne, liess der Bundesrat erst letzte Woche verlauten. Der Nachrichtendienst des Bundes geht immerhin von gut 60 Dschihad-Reisenden aus, die in den letzten Jahren in den heiligen Krieg gezogen sind. Drei von ihnen sind nachweisbar wieder zurückgekehrt.

Vernetzung verbessern

Eine staatsgefährdende Bedrohung durch einheimische Islamisten kann Althof im Moment nicht erkennen. Er stellt aber fest: «Die punktuelle Gefahr der Gewalt kann sehr gross sein.»

Je früher also der Kontakt mit gefährdeten Jugendlichen gelinge, umso besser. Dazu sei aber eine stärkere Vernetzung von Extremismus-Spezialisten, Sozialarbeiter, Lehrpersonen und Imamen nötig. Auch Polizei und Nachrichtendienst gehörten dazu. «Denn sobald die Faszination von radikalen Ideen zur gefestigten Ideologie wird, ist es zu spät für Gesprächstherapien.»

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