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Islam-Debatte im Kanton Genf
Aus Rendez-vous vom 25.01.2019. Bild: zvg
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Trennung von Kirche und Staat Eine Abstimmung erregt die Genfer Gemüter

Das Laizitätsgesetz ist umstritten. Es verbietet es Staatsvertretern – wie Politikerinnen oder Lehrerinnen – ein Kopftuch zu tragen.

Genf ist berühmt für seine Reformationsgeschichte. Nicht umsonst wird Genf auch Calvin-Stadt genannt – nach dem Reformator Jean Calvin, der Genf vor 500 Jahren prägte.

Dabei geht oft vergessen, dass Genf ein laizistischer Kanton ist. Seit über hundert Jahren sind die Kirche und Staat strikte getrennt. Jetzt soll diese Laizität mit einem Gesetz erneuert werden. Darüber stimmt der Kanton Genf am 10. Februar ab.

Kopftuch im Zentrum der Diskussion

Vor der Abstimmung wird nicht nur über Laizität, sondern vor allem über das Kopftuch debattiert. Denn das Gesetz sieht vor, dass jemand, der den Staat vertritt, sich neutral zu verhalten hat, was die Religion angeht. Staatsangestellte und Politiker dürfen also keine Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit mehr tragen.

Davon betroffen wäre etwa die Grünen-Politikerin Sabrine Tiguemounine, die im Stadtparlament von Meyrin sitzt und ein Kopftuch trägt. Sie sei mitsamt ihrem Kopftuch gewählt worden, sagt sie. Mit dem neuen Gesetz fühle sie sich in der Ausübung ihres Amtes eingeschränkt.

Frau Sabrine Tiguemounine mit Kopftuch.
Legende: Sabrine Tiguemounine, grüne Stadträtin in Meyrin, wehrt sich gegen das Gesetz. verts-GE

Tiguemounine könnte künftig nur noch an Kommissionssitzungen teilnehmen. «Weil die Parlamentsdebatte öffentlich ist, könnte ich da nicht mehr mitmachen», sagt sie. Tiguemounine ist nicht die einzige Kopftuchträgerin, die betroffen wäre.

Muslimische Verbände ergriffen Referendum

Es waren denn auch muslimische Verbände und Frauenorganisationen, die das Referendum ergriffen. Mit ihnen bekämpfen die Gewerkschaften und das links-grüne Lager das Gesetz. Die Bürgerlichen unterstützen es hingegen. Initiant ist die Genfer Regierung, welche das Laizitätsgesetz nach über 100 Jahren modernisieren will.

Bei der damaligen Einführung war die Laizität ein schwieriges Thema für die Genfer Reformierten mit ihrem Gründervater Calvin. Für sie sei das Gesetz von 1907 eine Katastrophe gewesen, sagt Blaise Menu, Vorsteher der Genfer Pfarrer. So habe die Kirche ihre Gelder vom Staat verloren – und ihren Status. Doch im Rückblick habe die Laizität die Kirche geöffnet.

Auch Muslime sollen Weg der Öffnung gehen

Zwang sei nicht immer ein Drama, sagt Menu. «Wir hätten uns ein Jahrhundert beklagen können, doch das haben wir nicht. Wir haben uns geöffnet, und das hat uns gut getan.»

Die Genfer Reformierten sind jetzt der Ansicht, dass auch andere Glaubensgemeinschaften wie die Muslime den Weg der Öffnung gehen müssten, auch wenn die Reformierten mit dem Artikel, der das Kopftuch betrifft, auch nicht zufrieden sind.

Dass Genf so engagiert über Laizität debattiert, hat auch mit dem Einfluss aus Frankreich zu tun. Dort sind heute Kopftücher in der Schule verboten – im Namen der Laizität.

Gesetz wird allenfalls vor Gericht angefochten

Die Verbannung der Religion aus dem öffentlichen Leben in Frankreich entspreche aber nicht der Grundidee der Laizität, sagt die Religionshistorikerin Sarah Scholl. Die Trennung von Kirche und Staat solle vielmehr das friedliche Nebeneinander der Religionen garantieren.

Die Genfer Debatte zeigt vor allem eines: Die laizistische Tradition des Kantons wird mit aktuellen Themen wie dem Umgang mit dem Islam vermischt.

Der Streit darüber wird auch mit der Abstimmung nicht enden: Wenn das Gesetz angenommen wird, ist der Gang vor die Gerichte bereits angekündigt.

Weitere Vorlagen

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Zudem wird das Genfer Stimmvolk über zwei Initiativen der Partei der Arbeit (PdA) abstimmen. Die erste Vorlage verlangt die Einführung einer Pflichtversicherung für die zahnärztliche Grundversorgung, die zweite eine öffentliche Krankenkasse.

Beide Initiativen gelangen ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung. Die von den linken Parteien und den Gewerkschaften unterstützte Zahnpflege-Initiative stösst auf breite Unterstützung. Nach Angaben der Initianten verzichten etwa 20 Prozent der Bevölkerung aus Geldmangel auf den Zahnarzt. Nach Angaben des Staatsrats liegt dieser Anteil zwischen 5 und 10 Prozent.

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