- Knapp ein Drittel weniger Geld: Im Kanton Bern erhalten vorläufig aufgenommene Asylsuchende seit zwei Jahren deutlich weniger Sozialhilfe.
- In einem lange erwarteten Urteil pfeift das Verwaltungsgericht den Kanton Bern zurück. Er darf zwar die Sozialhilfe kürzen, aber nicht in diesem Ausmass. Nur 15 statt 30 Prozent sind zulässig.
- Für den Berner SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg ist dies eine Niederlage. Er kämpft seit Jahren für eine Reduktion der Asylsozialhilfe.
Wie viel Geld sollen vorläufig aufgenommene Asylsuchende erhalten? Darüber tobt im Kanton Bern seit Jahren ein Streit zwischen Regierung, den Direktbetroffenen und dem Berufsverband für Sozialhilfe. Jetzt hat das Verwaltungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt.
Wie kam es dazu? Mitte 2019 schickte das Berner Stimmvolk die von SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg vorgeschlagene Kürzung der Sozialhilfe bachab. Trotzdem beschloss er, die Beiträge der vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden um 30 Prozent zu senken. Dagegen wehrten sich die Betroffenen. Auch eine Frau aus Äthiopien mit ihrem Kleinkind. Der Kanton zog den Fall bis vor das Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht pfeift jetzt den Kanton zurück. Zwar kam das Gericht am Mittwoch eindeutig zum Schluss, dass der Kanton die Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene zu Recht gekürzt habe. Das sei vom Bund so gewollt. Der oberste Gesetzgeber wolle aber ebenso, dass vorläufig Aufgenommene integriert werden, damit sie möglichst rasch Arbeit finden und wegkommen von der Sozialhilfe.
Eine Mehrheit des Verwaltungsgerichts sah aber beim Vorgehen des Kantons das Rechtsgleichheitsgebot bei jenen Personen verletzt, die schon lange in der Schweiz leben – will heissen zehn Jahre und mehr.
Je länger diese Personen in der Schweiz seien, desto stärker glichen sich ihre Lebensumstände jenen von anerkannten Flüchtlingen an. Das Gericht entschied, dass die Aufenthaltsdauer zu berücksichtigen sei und setzte den Grundbedarf bei 85 Prozent des regulären Ansatzes fest. Also 15 Prozent mehr, als der Kanton wollte. Die Beschwerden hiess das Gericht damit teilweise gut.
Grundbedarf für Lebensunterhalt pro Monat für Mutter mit Kleinkind | in CHF |
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Ursprünglich | 1465 |
Gekürzt um 30 Prozent | 1065 |
Gekürzt um 15 Prozent | 1270 |
Weiterzug offen
Der Kanton Bern wertete den Entscheid des Verwaltungsgerichts zunächst vorsichtig. Die bernische Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) liess offen, was das Urteil für weitere gleichgelagerte Fälle von vorläufig aufgenommenen Personen bedeutet.