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Antworten auf Ihre Fragen «Wie könnte eine globale Zentralbank organisiert sein?»

Die Fachrunde hat von 11 bis 12:30 Uhr Ihre Fragen zu einer globalen Währung beantwortet – live im Chat.

Der Schweizer Franken hat Geburtstag. Am 7. Mai 1850, vor 175 Jahren, wurde unsere Währung aus der Taufe gehoben. Was aber wäre, wenn es sie nicht mehr gäbe? Wenn es nur noch eine Gemeinschaftswährung für die Welt geben würde?

Unsere Fachrunde hat Ihre Fragen von 11 bis 12.30 Uhr live im Chat beantwortet

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Mathias Binswanger
Ökonom, Professor für Volkswirtschaftslehre
FHNW

Christoph Eisenring
Senior Fellow und Leiter Programme & Forschung
Avenir Suisse

Chat-Protokoll:

eigentlich keine Frage, sondern eine philosophische Anmerkung: Wieso das Geld nicht generell abschaffen? Es hat genug von allem auf der Welt, wenn man die Güter und Resourcen sinnvoll verwenden würde. Und all die Arbeitskräfte, die es jetzt nur braucht, um den Geldfluss am Laufen zu halten, könnten sinnvoller eingesetzt werden. Aber leider steht dem die menschliche Gier diamentral entgegen.

Christoph Eisenring: Ist es wirklich die Gier? Geld macht es einfacher, Dinge zu tauschen. Und jeder von uns ist darauf angewiesen, dass wir miteinander Dinge tauschen. Ich tausche meine Arbeitskraft gegen einen Lohn, den ich wiederum gegen Güter tausche. Ohne Geld wäre das unglaublich mühsam und würde sehr viel Ressourcen brauchen. Ich sehe das ziemlich pragmatisch, aber klar, «Gier» kann man nicht wegdiskutieren. Aber würde diese menschliche Eigenschaft verschwinden, wenn wir kein Geld mehr hätten? Ich bezweifle es.

Was halten Sie von einer globalen Währung nicht anstelle der nationalen Währungen, sondern zusätzlich, als globale Handelswährung anstelle des US-Dollars. Sowas wie der belgischen Ökonomen Bernard Lietaer mit dem Terra vorgeschlagen hat? Warenkorb-Bindung: Der Wert der Terra sollte durch einen Korb von Rohstoffen und wichtigen Gütern gedeckt sein (ähnlich wie ein Warenkorb), was sie stabiler und inflationsresistenter machen sollte. Negativzins: Um Spekulationen zu vermeiden und den Umlauf des Geldes zu fördern, sollte sie eine “Haltegebühr” (ähnlich einem Negativzins) haben.

Christoph Eisenring: Gut finde ich, wenn es zu staatlichem Geld Alternativen gibt, deshalb sollte man Kryptowährungen auch nicht verbieten. Ein Terra würde durch Unternehmen und Organisationen herausgegeben, wäre also ebenfalls eine private Währung. Das tönt sympathisch. Nach den extremen Ausschlägen zum Beispiel für Erdgas, aber auch diverse andere Rohstoffe bin ich aber skeptisch, ob eine solche Währung rasch das Vertrauen gewinnt. Mit dem Goldstandard hatte man ja schon ein «Rohstoff"-Geld, doch das System flog 1973 auseinander. Der Terra ist zudem, wenn ich es richtig verstehe, nicht durch Rohstoffe gedeckt, sondern mehr eine Recheneinheit. Das macht das Problem, Vertrauen in diese Währung zu generieren, nicht einfacher.

Wie sinnvoll sind Kapitalverkehrskontrollen zur Vermeidung von Destabilisierung in Krisenzeiten?

Christoph Eisenring: Ich bin skeptisch. Das Problem ist: Wenn sie es einmal tun, haben sie massive Folgekosten. Wer will noch in einem Land investieren, wenn er das Geld im Krisenfall nicht mehr zurückziehen kann? Das wäre für Direktinvestitionen ein schlechtes Signal. Vielleicht kann man es so sagen: Wenn der Staat in einer extremen Krise solche Massnahmen einführt und die Zeit für Reformen nutzt, die die Wirtschaft stabilisieren, könnte es einen Case geben, weil man ein Signal für die Stabilisierung gibt. Aber meistens ist die zweite Bedingung nicht erfüllt.

Ist eine Abschaffung des „5-Räpplers“ als Münze denkbar, wie es bereits mit den 1- und 2- Rappen Münzen geschah?

Christoph Eisenring: Tatsächlich ist die Prägung eines Fünfräpplers eher ein Verlustgeschäft, kostet seine Herstellung doch vier bis sechs Rappen. Das könnte also durchaus einmal kommen, wenn hier die Diskrepanz noch zunimmt. Je öfter elektronisch man zahlt, desto eine geringere Rolle spielen aber solche Abstufungen.

Wir haben doch schon jetzt eine Hauptwährung, denn US$! Nun stellen wir fest, dass es keine Garantie für Ewige Stabilität einer Nation gibt Egal welcher Prägung. Im Umkehrschluss würde das ja gerade gegen eine Welt-Währung sprechen in der jetzigen Kapitalistischen Welthandels Situation, oder? Nur wenn wir allen Menschen folgende Grundrechte und Sicherheiten geben würden, wie Selbstbestimmung, Menschenwürdiges Leben für alle auf gleichem Stand, genug Nahrung ohne sich Ausbeuten zu lassen usw. dann währe eine Globale Währung kein Problem was aber faktisch dem abschaffen der heutigen Ökonomie und des Kapitalismus gleichkäme. Diese Traumwelt wird es wohl nie geben, der Neid und die Habgier stehen uns Menschen im Weg!

Christoph Eisenring: Sie sagen indirekt etwa Wichtiges: Damit eine Währung über mehrere Staaten – im Extremfall über die Welt – funktionieren kann, müssen zum Beispiel die Arbeitskräfte frei wandern können. Wenn es nämlich eine Krise in einem Land gibt, muss man als Arbeitnehmer in ein anderes Land ziehen können, wo es noch mehr Arbeit gibt. Die Unterschiede können ja nicht mehr mit einer unterschiedlichen Währungspolitik ausgeglichen werden. Eine Weltwährung bräuchte also auch weltweite freie Zu- und Auswanderung!

Wie liesse sich das Vertrauen in eine solche Institution (weltweite Bank) weltweit sicherstellen?

Christoph Eisenring: Wie schafft man Vertrauen in eine Währung? Indem die Währungsbehörde unabhängig ist und sich einem einzigen Ziel verschreibt, das sie auch beeinflussen kann: der Preisstabilität. Zugleich muss eine solche Behörde jemandem verantwortlich sein. Wäre das dann der Uno-Vollversammlung? Es ist einfach sehr schwer vorstellbar. «One currency doesn't fit all», würde ich sagen.

Welche Sorgen machen sich Ökonomen znd Ökonomminnen aktuell am meisten? Kann man das sagen?

Christoph Eisenring: In der Schweiz würde ich sagen: die Sorge um den liberalen Arbeitsmarkt. Das ist einer der grössten Trümpfe unseres Landes, aber diverse Regulierungen wie die immer häufigere Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen, Mindestlöhne oder restriktive Arbeitszeitregelungen schmälern die Attraktivität. Ich gebe aber zu: Das werden gewerkschaftsnahe Ökonominnen und Ökonomen anders sehen.

Wird die wirtschaftliche Kluft zwischen Nord und Süd in Zukunft kleiner oder grösser?

Christoph Eisenring: Entscheidend ist, ob wir im Norden die Märkte für den Süden offenhalten. Durch Freihandel sind Hunderte Millionen – nicht nur in China – der absoluten Armut entkommen. Dazu kommt: Der Norden hat ein demografisches Problem, wird stark altern. Alternde Gesellschaften haben aber weniger Ideen, bzw. sind auch gegenüber neuen Ideen weniger aufgeschlossen. Gesellschaften im Süden sind jünger und könnten damit punkto Innovation punkten.

Könnte eine digitale Währung (z. B. auf Blockchain-Basis) die Lösung für eine weltweite Einheitswährung sein?

Mathias Binswanger: Nein, auch deren Menge muss sinnvoll gesteuert werden.

Welche globalen Trends werden die Weltwirtschaft in den nächsten 10–20 Jahren am stärksten prägen?

Christoph Eisenring: Ich fürchte, dass sicherheitspolitische Argumente immer stärker werden und dass diese zum Teil auch vorgeschoben sind, um Protektionismus zu betreiben. Wenn die USA KI-Chips kontingentieren, wovon auch die Schweiz betroffen ist, geht das schon in diese Richtung. Für eine kleine, offene Volkswirtschaft sind das keine guten Aussichten.

Unsere Klasse freut sich auf die Informationen Ihrer Fachrunde. Wir hätten eine Frage, die aus zwei Teilen besteht: 1. Kann man die Zinsen weltweit regeln, sodass alle Länder (arme und reiche) mithalten können? 2. In welcher Proportion würde/sollte man die Menge der Währung, die im Umlauf sein würde, festlegen? Wir freuen uns auf Ihre Antwort. Beste Grüsse IBK – Klasse und Klassenlehrer

Mathias Binswanger: 1. Schwierig, weil die Interessen sind oft nicht die gleichen. 2. Die Währung müsste so in Umlauf kommen, dass weltweit Preisstabilität gewährleistet bleibt. Ein fast unmögliches Unterfangen.

Wie viele heutige Franken war 1 Franken vor 175 Jahren wert?

Christoph Eisenring: Die Schweiz hatte von 1850 bis 1904 im Schnitt praktisch Preisstabilität. Von 1905 bis 1992 waren es 2,8% und seit 1993 rund 0,6%. Damit wäre ein Franken von damals heute etwa 16 Franken wert.

Wird Inflation in den nächsten Jahrzehnten wieder ein ernstes Problem sein?

Christoph Eisenring: Ich könnte mir vorstellen, dass dies der Fall ist. Diverse Länder – so auch die USA – haben mittlerweile eine Schuldenquote von über 100% der Wirtschaftsleistung. Wie kommt man wieder auf niedrigere Schuldenstände? Eine Möglichkeit ist, die Schulden wegzuinflationieren. Das könnte, sofern die Verschuldung weiter zunimmt, also zu einem Problem werden. Deshalb in Sachwerte investieren!

Welche Mechanismen wären notwendig, um die Geldpolitik in einer Welt mit nur einer Währung effektiv zu steuern?

Mathias Binswanger: Das wäre eine gewaltige Herausforderung. Die Steuerung einer Weltgeldmenge über Weltzinsen. Das würde mehr schlecht als recht funktionieren.

Am Euro wurde von manchen kritisiert, dass eine gemeinschaftliche Währung nicht ohne gemeinschaftliche Wirtschaftspolitik funktioinieren kann. Wie sehen sie dies bei einer globalen Währung – auch mit Blick auf die Erkentnisse, welcher der Euro brachte?

Was passiert mit allen Währungen und Staatsschulden im Falle einer globalen Währung (ggf. mit physischer Deckung)?

Mathias Binswanger: Sie müssen dann in eine neue Währung umgerechnet werden, bleiben aber bestehen.

Wie wird Künstliche Intelligenz die Arbeitsmärkte verändern – drohen mehr Chancen oder Jobverluste?

Christoph Eisenring: Ich bin optimistisch. KI wird unsere Produktivität deutlich erhöhen. Man merkt es ja schon jetzt: Schnell eine Email schreiben oder einen Brief aufsetzen – KI hilft. Sie wird die Arbeit in vielen Bereichen erleichtern, sei das im wissenschaftlichen Bereich oder auch im kaufmännischen. Man sollte gerade in der KV-Ausbildung KI denn auch integrieren. Wer mit ihr arbeiten lernt, wird nicht ersetzt.

Wie würden sich internationale Handelsbeziehungen verändern, wenn es keine Wechselkurse mehr gäbe?

Mathias Binswanger: Länder mit heute unterbewerteten Währungen hätten dann mehr Probleme, ihre Produkte zu exportieren.

Ist Griechenland immer noch so stark verschuldet? Wie stehen die Länder im Verbund heute um Euro? Denken Sie meine Generation (1955...) erlebt noch, dass der Euro wieder durch nationale Währungen ersetzt wird?

Christoph Eisenring: Griechenland hat sich verbessert. Die Schuldenquote lag am Höhepunkt bei rund 200% der Wirtschaftsleistung, jetzt sind es noch rund 160%. Hier sehen wir also eine deutliche Verbesserung – aber der Weg ist noch weit. – Ich denke nicht, dass es eine Rückkehr zu nationalen Währungen geben wird. Könnte mir aber vorstellen, dass es eine Kerngruppe gibt, die eine einheitliche Währung hat (zB D, Benelux, vielleicht Frankreich) und gewisse Länder, die nicht mehr im Euro sind – falls es nochmals zu einer ähnlichen Krise kommt wie 2010.

Eigentlich ist ja klar, dass unser globales Geldsystem, das NUR finanzielles Gewinnstreben fördert, weltweit Natur und Umwelt und letztlich auch uns kaputt macht. Weshalb ist noch niemand auf die Idee gekommen, ein globales Geldsystem zu entwickeln, das stattdessen Fortschritte in Bezug auf Natur und Umwelt ins Zentrum stellt? Das wäre doch ein gigantischer Schritt für die Menschheit!

Mathias Binswanger: Auf diese Idee sind schon Einige gekommen. Das Problem liegt in der praktischen Durchführung. Was sind Fortschritte in Natur und Umwelt? Wie werden diese jährlich gemessen etc.

Eine neue globale Währung wäre sicher schlecht für den Schweizer Franken. Wir würden wohl nur verlieren ? China der „Gewinner“ ?

Mathias Binswanger: Sehe ich auch so.

Wie könnte sich die Abschaffung des Frankens auf die Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auswirken?

Christoph Eisenring: Wenn wir den Franken nicht mehr haben, wäre die Rolle der Notenbank sehr stark reduziert, sie könnte ja die Geldpolitik nicht mehr gestalten. Es gibt dann keine Unabhängigkeit mehr. Sie wäre etwa noch für die Bargeldversorgung zuständig.

Wie würde sich der Wegfall von Wechselkursrisiken auf kleine und mittlere Unternehmen auswirken?

Christoph Eisenring: Zunächst würde man sagen: Für Konsumenten und Firmen ist es gut, wenn es kein Wechselkursrisiko mehr gibt, wenn ich überall mit einer Weltwährung zahlen kann. Ich muss mich dann nicht mehr gegen Kursschwankungen absichern. Aber die zweite Frage: Wer sagt, dass wir dann noch eine stabile Währung haben? Wird die Währungspolitik der Weltwährung von stabilen Ländern beeinflusst? In der Euro-Krise hätte zu Deutschland eine straffere Währungspolitik gepasst, südlichere Länder hätten sich eine lockere Politik gewünscht. Eine Weltwährung würde deshalb rasch auseinanderbrechen, weil die Unterschiede noch viel grösser wären.

Wie könnte eine globale Zentralbank organisiert sein, und welche Herausforderungen wären damit verbunden?

Christoph Eisenring: Dies wäre genau das Problem: Wo ist die Verantwortung für eine globale Zentralbank, wie würden die fast 200 Länder sich auf eine Geldpolitik verständigen? Wenn man nur schon sieht, wie die Fliehkräfte in der Euro-Zone sind, scheint dies ein Ding der Unmöglichkeit. Besser ist es, wenn man Wettbewerb zwischen Währungen hat.

Welche Rolle spielen Schuldenbremsen für den Markt? Liebäugeln noch mehr Länder mit diesem Konzept?

Mathias Binswanger: Schuldenbremsen sollen die Staatsdefizite besdchränken und damit Stabilität garantieren. Doch sie werden immer wieder ausgehebelt vor allem von den Ländern, wo sie am notwendigsten wäre.

Meine Frage ist: Welche Motivation gibt es, diese Frage überhaupt zu diskutieren, in einer Zeit wo der Protektionismus wieder Urständ feiert und die Umsetzung ohnehin überhaupt kein Tehema ist? Die fehlende eigene Währung wäre ja nicht nur für schwächere Länder ein Problem, sondern vor allem auch für all jene, die aus ganz anderen Gründen keinen freien Handel über ihre Grenze wollen, z.B. weil deren Regierung denkt sie könnte profitieren?

Mathias Binswanger: Vollkommen richtig. Im Moment gibt es eher Tendenzen den Handel zu erschweren statt ihn zu erleichtern.

Was ich nie ganz einschätzen kann: Wie stark ist der Einfluss von National-/Zentralbanken mit Leitzinssätzen auf die Wirtschaftslage? Oder «reagieren» diese eher auf sie?

Mathias Binswanger: Der Einfluss ist asymmetrisch. Wenn man die Zinsen genügend erhöht, kann man die Wirtschaft immer bremsen. Die Wirtschaft mit Zinssenkungen zu stimulieren, funktioniert hingegen längst nicht immer.

10v10, 5.5.25, 21.45 Uhr ; 

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