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Ausgesteuert mit über 55 Schicksale im Schatten der Arbeitslosenzahlen

Wer mit über 55 arbeitslos wird, landet immer öfter in der Sozialhilfe. Jetzt soll die Politik einschreiten, fordert die Schweizer Konferenz für Sozialhilfe (Skos).

Immer mehr ältere Arbeitslose werden ausgesteuert und landen bei der Sozialhilfe, sagt Felix Wolffers, Leiter des Sozialamtes der Stadt Bern: «Es ist mittlerweile ein tägliches Problem. In den letzten Jahren gab es eine Zunahme um 50 Prozent bei den über 55-Jährigen in der Sozialhilfe.» Von allen Altersgruppen sei das der höchste Wert, so Wolffers.

Wer im Alter von über 55 Jahren arbeitslos werde, habe es schwer, wieder eine Stelle zu finden: «Mehr als die Hälfte von ihnen sind langzeitarbeitslos, also mehr als ein Jahr arbeitslos in der Arbeitslosenversicherung. Viele von diesen werden ausgesteuert und keine neue Stelle mehr finden. Irgendwann landen sie in der Sozialhilfe.»

Wenn über 55-Jährige einmal arbeitslos werden, haben sie es schwerer, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukommen.
Autor: Felix Wolffers Leiter des Sozialamtes der Stadt Bern

Von den 40'000 Ausgesteuerten im letzten Jahr gehören rund 7000 zur Altersgruppe der über 55-Jährigen, heisst es auf Anfrage beim Staatssekretariat für Wirtschaft Seco.

Der beschwerliche Weg zurück

Es stimme allerdings nicht, dass die Älteren auf dem Arbeitsmarkt generell benachteiligt seien, sagt Boris Zürcher, der beim Seco die Direktion für Arbeit leitet: «Das Risiko arbeitslos zu werden ist für diese Altersgruppe unterdurchschnittlich. Zuletzt hat es auch wieder abgenommen. Wenn sie einmal arbeitslos werden, haben sie es allerdings schwerer, wieder in den Arbeitsmarkt zurückzukommen.»

Und nach Dutzenden von Bewerbungen müssten viele schliesslich einen schlechter bezahlten Job annehmen, gibt Zürcher zu bedenken: «Das ist oft der Fall. Gerade die Älteren müssen mit einer Lohneinbusse rechnen.»

Oft seien diese Leute in einer langen, stabilen Anstellung gewesen und hätten firmenspezifisches Know-how erworben, so Zürcher: «Dieses Know-how ist in einer anderen Firma nicht mehr so viel wert. Das führt zu einer Korrektur bei den Löhnen.»

Von den ausgesteuerten über 55-Jährigen findet nur jede siebte Person wieder eine Stelle mit einem existenzsichernden Einkommen. Das ist eine verrückte Zahl.
Autor: Felix Wolffers Leiter des Sozialamtes der Stadt Bern

Für Sozialhilfe-Fachmann Felix Wolffers ist das ein dramatisches Fazit: «Von den ausgesteuerten über 55-Jährigen findet nur jede siebte Person wieder eine Stelle mit einem existenzsichernden Einkommen. Das ist eine verrückte Zahl. Diese Leute sind qualifiziert, sie wollen und können arbeiten.»

Erst Sozialfall, dann Einbussen bei der Rente

Die anderen aber, der Grossteil der älteren Ausgesteuerten, drohen zu Sozialfällen zu werden. Und diese würden später auch weniger Rente erhalten – lebenslang. Denn bevor die Sozialhilfe zahle, müsse man zuerst sein Vermögen aufbrauchen – auch die Pensionskassen-Altersguthaben.

Das sei ungerecht, findet Felix Wolffers vom Berner Sozialamt: «Es ist auch eine Frage des Respekts und des Umgangs mit diesen Personen, dass wir sie davor schützen, dass sie ihr ganzes Vermögen aufbrauchen müssen. Sie sollen auch im Alter eine solide wirtschaftliche Grundlage haben.»

Arbeitsmarkt statt «Vorruhestand»

Anstatt ausgesteuert zu werden, sollten ältere Arbeitslose über 55 deshalb dauerhaft in der Arbeitslosenversicherung bleiben können, fordert Wolffers, der auch Co-Geschäftsführer der Schweizer Konferenz für Sozialhilfe Skos ist.

Eine Forderung, die politisch recht breiten Anklang findet, bei Seco-Mann Boris Zürcher aber nicht gut ankommt: «Wir sind der Meinung, dass die Förderung der arbeitsmarktlichen Integration im Vordergrund stehen muss und nicht eine Vorruhestandsregelung. Denn darauf läuft der Vorschlag der Skos aus.»

Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose?

Sozialhilfe oder Arbeitslosenversicherung, darüber muss letztlich die Politik entscheiden. Mögliche Lösungsansätze gibt es in der Romandie. Der Kanton Waadt etwa kennt für über 60-jährige Arbeitslose eine Überbrückungsrente bis zum Pensionsalter, so dass die Betreffenden ihre Altersguthaben nicht antasten oder aufs Sozialamt gehen müssen. Finanziert wird diese Überbrückungsrente durch die Sozialpartner, den Kanton und die Gemeinden.

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