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Zwischen Anna Karenina (Keira Knightley) und ihrem Mann (Jude Law) knistert es nicht mehr.
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abspielen. Laufzeit 3 Minuten 47 Sekunden.
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Liebe, Lust und Lügen

Leo Tolstois «Anna Karenina», ein Klassiker von 1877/78, wurde schon x mal fürs Kino und Fernsehen adaptiert. Es gibt keinen Grund, den Roman noch einmal zu verfilmen, ausser man liefert ein Meisterwerk ab. Und genau das hat Joe Wright getan.

«Anna Karenina» erzählt drei Geschichten, die im Russland des 19. Jahrhunderts spielen. Alle, so scheint es, handeln von der Liebe, in Wahrheit geht es um Ehe, Ehre und Moral. Die temperamentvolle Anna Karenina (Keira Knightley) liebt ihren Mann Karenin (Jude Law) nicht mehr. Ihr Herz schlägt für den smarten Offizier und Grafen Wronskij (Aaron Taylor-Johnson).

Während Fürst Oblonski (Matthew Macfadyen) seine Frau Dolly (Kelly Macdonald) munter mit wechselnden Partnerinnen betrügt, ohne dass die gehobene Gesellschaft aufmuckt, wird Annas Seitensprung schnell zum Skandal, der sie den Ruf kostet.

Drehbuch und Regie sind erstklassig
In der dritten Geschichte geht es um den reichen Grossgrundbesitzer Levin (Domhnall Gleeson), der Dollys Schwester Kitty (Alicia Vikander) liebt, die eigentlich Wronskij liebt. Und doch ist ausgerechnet diese Geschichte, die scheinbar mit einer Vernunftehe zwischen Levin und Kitty endet, die glücklichste.

Was will uns Tolstoi damit sagen? Das möchte ich gar nicht erst versuchen zu beantworten. Ich rede lieber über den Film, und der ist meisterhaft. Wie Drehbuchautor Tom Stoppard («Amadeus») den Roman adaptiert hat, ist ebenso umwerfend, wie Regisseur Joe Wright die Story inszeniert hat.

Inhalt und Form in Vollendung
Filmisch ist «Anna Karenina» eine Offenbarung. Da gibt es Schnitte, schnittlose Übergänge und Schwenks, die kunstvoller sind als Anna Kareninas pompösen Kostüme. Erst glaubt man, das Ganze trage sich auf einer Theaterbühne zu, dann findet man sich plötzlich in der verschneiten Taiga wieder. Wer im Kino Wert aufs Formale legt, kommt bei «Anna Karenina» voll auf seine Rechnung.

Joe Wright hat schon mit «Pride and Prejudice» (2005) und «Atonement» (2007) bewiesen, dass er der zurzeit beste Literaturverfilmer überhaupt ist. Weder hat er vor den grossen Stoffen der Weltliteratur Angst, noch fürchtet er die grossen Gesten.

Das Resultat ist grosses Kino à la «Doctor Zhivago» (1965) oder «Lawrence of Arabia» (1962), aber mit mehr Willen zu ausgefallener Form. Dass die Schauspielleistungen durchs Band hervorragend sind, muss wohl nicht mehr speziell erwähnt werden.

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