In den Laden gehen und sich selbst nehmen, was man braucht. Das bedeutete eine radikale Änderung des Einkaufsverhaltens. Die Lebensmittel lagen nun sicht- und fassbar vor den Augen der Kundschaft.
Der erste Selbstbedienungsladen der Schweiz war ein Laden der Migros. Am 15. März 1948 öffnete er die Tore in der Zürcher Innenstadt. Der Zeitpunkt war ideal: Die Erfahrung von Mangel und Knappheit im Krieg war Geschichte und das verfügbare Einkommen stieg kontinuierlich an. «Viele Leute erklären, dass sie beim Self-Service in der Tat ein Lustgefühl erleben, das ihnen bisher beim Einkaufen unbekannt war», liest man im Jahresbericht 1948 der Migros.
Skepsis bei der Einführung
Migros-intern wurde vor dem Start hart gerungen. Gottlieb Duttweiler, der Migros-Gründer, war skeptisch und traute dieser Idee aus den USA nicht ganz. Er hatte immer noch den kleinen, persönlichen Laden vor Augen.
Die Befürworter setzten sich durch. Rasch und kontinuierlich wurde ein Laden nach dem anderen auf Selbstbedienung getrimmt. Und auch die Konkurrenz zog sehr bald nach. 1950 beispielsweise eröffnete der Lebensmittelverein Zürich einen Selbstbedienungsladen im St. Annahof in Zürich (heute: Coop City).
Heimelige Atmosphäre auf tausend Quadratmetern
«Die Herausforderung am Anfang bestand darin, auf tausend Quadratmetern Verkaufsfläche eine heimelige Atmosphäre zu schaffen», wie es Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler später einmal in einem Radiointerview formulierte. «Wir versuchten den Angriff auf die Hausfrau, also über das Herz. Die Frau muss sich wohlfühlen im Laden. Dann öffnet sich auch das Portemonnaie.»
Neues Verkaufserlebnis
Kundinnen und Kunden erlebten von nun an ein grundlegend verändertes, emotionales Einkaufserlebnis. Man konnte den Blick schweifen lassen, seine Waren erst begutachten und anfassen und musste sich erst später an der zentralen Kasse für den Kauf entscheiden. Man hatte Zeit bei der Suche und wurde nicht durch wartende Kundschaft gedrängt. Deshalb wurden die Waren seit Anbeginn sorgfältig und gezielt präsentiert. Körbe mit Henkeln und später Einkaufswagen standen bereit. Hintergrundmusik verführte einem zum Kaufen.
Auch gab es von nun an keine Streitigkeiten mehr darüber, wer denn nun als Kundin oder Kunde als Nächstes an der Reihe sei, wie das noch beim Thekenverkauf das tägliche Brot gewesen war.
Die selbsttätige Kundschaft hilft sparen
Durch das sich Selberbedienen der Kundinnen und Kunden sparte der Laden wertvolle Arbeitszeit. Mit den Selbstbedienungsläden kamen auch standardisierte Waren und eine effizientere Logistik. In den ersten Jahren gab es auch die sogenannten «Schüttgestelle»: Büchsen beispielsweise wurden nicht sorgfältig aufgeschichtet, sondern in die Gestelle reingeschüttet. Damit konnte die Kundschaft schneller zugreifen, ohne Angst davor, einen schönen Büchsenturm zu zerstören.
Vom Kleingeschäft zum Megastore
Die Entwicklung vom kleinen Laden mit Theke zum Megastore mit Selfscanning und Kreditkartenzahlung basiert auf der Einführung des Selbstbedienungsladens und seiner rationellen Funktionsweise. Er ist ein Grund dafür, dass die Lebensmittelpreise sanken. Er bedeutete den Tod der kleinen Krämerläden. Er trug aber auch dazu bei, dass wir heute weniger als zehn Prozent von unserem Lohn für Lebensmittel ausgeben müssen. Früher waren es mehr als 30 Prozent.