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Biodiversität Schweiz Wir und die Natur – ein gespaltenes Verhältnis

Die Natur als Erholungsort ist den Schweizern heilig. Doch wir arbeiten gegen sie, die Artenvielfalt nimmt ab.

Kaum scheint die Sonne, locken die Berge, die Seen, die Wälder. In der Natur holen wir uns die Erholung, die wir brauchen. Und doch arbeiten wir gegen sie, die Artenvielfalt nimmt ab. Eine Entwicklung, die für den Menschen schlimmer ist, als für die Natur. Sie kann ohne uns, wir aber nicht ohne sie.

Vom Aussterben bedroht

Zuerst nahm die Artenvielfalt durch die Bewirtschaftung der Schweiz zu. Die Menschen haben das Land kultiviert und damit neue Lebensräume geschaffen. Seit rund 150 Jahren nimmt die Artenvielfalt allerdings wieder ab und zwar in einem beängstigenden Tempo. Mehr als ein Drittel aller Arten in der Schweiz ist bedroht. Forscher rechnen damit, dass in den nächsten Jahrzehnten 40 Prozent aller Insektenarten aussterben werden.

Der Natur ist es egal, wenn Arten verschwinden. Ich mache mir mehr Sorgen um den Menschen.
Autor: Dr. Daniela Pauli Geschäftsführerin «Forum Biodiversität Schweiz»

Mitverantwortlich dafür sind die Zersiedelung und der hohe Stickstoffgehalt durch die Landwirtschaft und den Verkehr.

Brennessel in der Wiese
Legende: Die Brennessel gehört zu den wertvollsten Arten. Rund 47 Schmetterlingsarten können sich an ihr entwickeln. Keystone

Laut dem «Forum Biodiversität Schweiz» sind in der Schweiz 46'000 Arten bekannt. Dazu gehören Tiere, Pflanzen, Pilze und Bakterien.

  • Zirka 22'000 Insekten, davon 600 Bienenarten
  • 3'000 verschiedene Blütenpflanzen
  • 1'000 Moose
  • 200 Vogelarten

Am schwierigsten haben es die Arten des Kulturlandes und jene von Gewässern und Feuchtgebieten. Der Bestand der Feldlerche ist laut der Vogelwarte Sempach je nach Region um 50 bis 77% zurückgegangen seit 1990.

Zwei Vogelarten sind besonders bedroht:

  • der Grosse Brachvogel (auf Feuchtgebiet angewiesen), zum letzten Mal 2006 in der Schweiz gebrütet
  • der Rotkopfwürger (auf strukturreiches Kulturland angewiesen), zum letzten Mal 2009 in der Schweiz gebrütet

Wir brauchen die Natur, weil sie uns neben der Nahrung die Luft zum Atmen gibt. Umgekehrt braucht die Natur uns nicht um zu existieren, sagt Dr. Daniela Pauli.

Die trügerisch grüne Wiese

Wer auf einer grünen Wiese meint, er befinde sich in der puren Natur, irrt. Diese Wiese ist intensiv bewirtschaftet (oder wird regelmässig gedüngt) und bietet wenigen Pflanzenarten Platz. Je weniger Pflanzenarten, desto weniger Tierarten in diesem Lebensraum. Entlang diesen Wiesen gibt es auch kaum mehr Hecken, das macht die Bewirtschaftung einfacher.

Je mehr ein Landwirtschaftsbetrieb auf Effizienz ausgerichtet ist, desto weniger biodivers ist er. Einfach dem Bauern die Schuld zu geben, wäre aber zu einfach. Er produziert nämlich das, was der Konsument möchte – Milch, Fleisch, Gemüse und Früchte, effizient und möglichst günstig.

Wer sich auf die Kürze einen Überblick über den Zustand der Artenvielfalt in der Schweiz verschaffen möchte, bekommt diesen im Appenzellerland:

Der Problem «Sonntagsgarten»

Ein ähnlich eintöniges Grün wie auf den Wiesen des Appenzells herrscht auch in vielen Gärten. Diese Beobachtung macht der Naturgärtner Peter Richard. Herr und Frau Schweizer haben es gerne gepflegt, steril, eintönig, mit wenigen Pflanzen und geputzt wie ein Wohnzimmer, so sei der typische Schweizer Garten. Und diese typischen Gärten seien für die Tierarten oft eine Art Wüste, sie finden da keine Nahrung.

Peter Richard möchte sich dabei nicht gegen einen Garten mit Rasen und Rosenbeet aussprechen. Es sei aber wichtig, dass es Orte im Garten gibt, die Insekten Nahrung und Schutz bieten, zum Beispiel Brennnesseln. Wer einen Garten gestaltet, müsse ganzheitlich denken. Welche Tierarten hat es in der Umgebung, was bietet der Boden und was möchte der Besitzer. So kann schon viel für die Biodiversität unternommen werden.

SRF 1, Sonntag, 15:03 Uhr

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