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Corona und Psyche Gut kommunizieren in der Corona-Isolation

Alles nervt, ständig ist jemand da und entsprechend reagiert man gereizt und was man auch sagt, es ist falsch. Weder Paare noch Familien oder Singles haben es zu Hause in der Isolation einfach.

Nach zwei Wochen mit dem Partner, der Familie oder auch allein in der Wohnung, kommen erste Schwierigkeiten auf. Linderung versprechen die Tipps von Thomas Ihde, Chefarzt Psychiatrie am Spital Interlaken und Stiftungsratspräsident von Pro Mente Sana.

Tipps für Paare in der Isolation

Wie geniesst man es in den Ferien, endlich Zeit füreinander zu haben. «Ferien lassen sich leider nicht mit der aktuellen Situation vergleichen», sagt der Psychiater. In den Ferien bieten der Strand, das hübsche Beizlein am Abend oder der Markt Abwechslung. Man unterhält sich mit dem Kellner, feilscht um den Preis eines Paar Schuhe – der Fokus ist stets nach aussen gerichtet. Im Moment geht der Fokus bis zur Wohnungstüre. Der Stresspegel ist erhöht. Im «normalen» Alltag ist man toleranter, sagt Ihde. Da geht man aus dem Haus und bis am Abend ist der Streit vom Frühstück längst vergessen.

Seien Sie im Moment grosszügig. Jeder braucht Zeit für sich allein in den eigenen vier Wänden.
Autor: Thomas Ihde Chefarzt Psychiatrie Spital Interlaken und Präsident Pro Mente Sana

Das heisst nichts anders, als dass man heute gefordert ist, die Zeit als Paar neu zu definieren. Wichtig ist dabei, dass man sich nach wie vor mit den besten Freunden verabredet. Und zwar alleine. Das geht auch von der Wohnung aus: Verabreden Sie sich, den gleichen Film zu schauen und dazu per Whats-App zu kommunizieren; verzichten Sie nicht aufs traditionelle Feierabendbier – jetzt einfach via Facetime. Während diesen Aktivitäten hat der andere Partner Zeit für sich selbst. Ob als Paar oder als Familie, wichtig, dass man miteinander spricht, dass man anspricht, was im Moment schwierig ist. «Es gibt Paare, die haben ein Buch, in welchem sie aufschreiben, was schwierig ist. Das kann man auch im Paar-WhatsApp-Chat machen.»

Wie sag’ ich es konkret

Verwenden Sie sogenannte «Ich-Botschaften». Äussern Sie, was Sie persönlich stört. Vermeiden Sie Du-Botschaften. So fühlt sich Ihr Gegenüber nicht angegriffen und muss sich nicht verteidigen.

Die «Ich-Botschaften» sind auch in normalen Zeiten ein gutes Kommunikationsmittel.
Autor: Thomas Ihde Psychiater

Tipps für Familien zu Hause

Kleine Kinder freut es natürlich, wenn beide Eltern momentan so viel zu Hause sind. Kinder leben im Hier und Jetzt, deshalb sollte man ihnen erklären, dass dies im Moment etwas Besonderes ist, dass Mama und Papa Tag für Tag zu Hause sind. Kinder merken aber auch, wenn die ein Konflikt die Eltern belastet. Weil Kinder sehr feinfühlig sind, empfiehlt Ihde, nicht vor den Kindern zu streiten.

Am besten kommuniziert man den Kindern, dass Mama und Papa etwas im Schlafzimmer besprechen müssen. Und zwar allein. So tragen Sie den Streit nicht vor den Kindern aus.
Autor: Thomas Ihde Präsident Pro Mente Sana

Seien Sie in dieser Zeit toleranter, wenn es um die Erziehung geht. Zwischen den Eltern und den Kindern findet immer ein Kräftemessen statt, und das ist auch gut so. Wenn das Kind auch nach der vierten Aufforderung seinem Ämtli nicht nachkommt – drücken Sie ein Auge zu, Sie haben keine Möglichkeit räumlich auszuweichen und zu warten, bis sich die Wogen glätten.

Und noch etwas ist für Ihde wichtig: «Schränken Sie den Medienkonsum, was Corona angeht, ein.» Besser, man informiert die Kinder einmal pro Tag, und erklärt ihnen die aktuelle Situation.

Tipps für Singles allein zu Hause

Für Singles ist die Kommunikation doppelt schwierig. «Zum einen fehlt ihnen jemand zum Reden, da ist aber auch der fehlende physische Kontakt. Der Mensch ist schliesslich ein soziales Wesen», sagt der Psychiater. Klar kennen Singles das Alleinsein, aber das momentane ausschliessliche Alleinsein macht selbst einige hartgesottene Singles einsam.

Selbst wenn ein Single arbeitet – niemand kommt ihm näher als 2 Meter. Das ist nicht gut für die Bindungshormone.
Autor: Thomas Ihde Psychiater, Spital Interlaken fmi

Die gemeinsame Kaffeepause, das Mittagessen in der Kantine, das Feierabendbier – alles gestrichen. Klar wird rege mit der Familie oder besten Freunden telefoniert, es fehlt aber der Smalltalk, der gewissermassen der Kitt des Alltags ist. Umso wichtiger ist es, sich zu Face-Time oder Telefon-Apéros zu verabreden. Eine gute Möglichkeit sind auch Onlinekurse. Wollten Sie nicht längst schon mal Russisch lernen? Jetzt ist die Gelegenheit und Zeit dafür haben Sie ja auch.

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