Während in Schaffhausen an der Curling-WM derzeit die Besten der Welt, insgesamt 13 Teams aus 4 Kontinenten, um Medaillen kämpfen, besucht Radio SRF 1-Reporter Jürg Oehninger Hobby-Curlerinnen und Curler. Gastgeber ist der Curling-Club Baden Regio mit der einzigen Halle im Mittelland, wo auch im Sommer Curling gespielt werden kann.
Curling – ein Sport ohne Schiedsrichter
Die Spielidee ist, die eigenen acht Steine möglichst näher am Zentrum des entfernten Zielkreises (Haus) zu platzieren, als der Gegner. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht man taktisches Geschick und ein Gefühl für die Länge der Steinabgabe. Die Taktik ist komplex und gehört zu den Aufgaben des Skip, dem Mannschaftsführer. Er ist sozusagen der Dirigent seines Teams, das aus drei weiteren Spielerinnen oder Spielern besteht. Diese haben die Aufgabe, einen Stein durch Wischen zu steuern.
Wischen ist mehr als «Bäsele»
Mit Wischen könne man einen Stein länger machen, sagt Christian Hoffmann vom Curling-Club Baden. Ein bis zwei Meter können Hobby-Curler herausholen, Profis schaffen drei bis vier Meter. Zudem mache ein Stein eine Kurve (Curlen) und um diese zu beeinflussen, braucht es ebenfalls die Wischer. Sie brauchen vorallem eines – Kraft. Das zeige der jüngste Vorfall an der WM in Schaffhausen. Dem Schweizer Spieler Sven Michel sei während des Wischens der Besen gebrochen. Das sind Carbonbesen und die brechen nicht einfach so, meint Hofmann.
Nebst Kraft brauchen Curler ein gutes Gleichgewicht beim Abstossen des Steins. Das sei mit ein Grund, weshalb er diesen Sport betreibt, sagt ein anderer Spieler, der den nächsten Stein auf die Bahn bringt. Lernen könne man das relativ schnell – dass man es gut könne, für das brauche es Jahre.
Curling ist eine der wenigen Sportarten, die keinen Schiedsrichter braucht.
Ein Curler muss auch das Eis lesen können. Nicht jede Bahn habe die gleiche Beschaffenheit und auch die Aussentemperatur spiele eine Rolle. Selbst in der Halle in Baden sei die Unterlage jede Woche etwas anders, sagt Martin, der sich seit 14 Jahren dem Sport verschrieben hat.
Spirit of Curling
Rivalitäten, wie in anderen Sportarten, gibt es unter den Curlerinnen und Curler nicht. Im Streitfall entscheidet sich ein Curler immer zu Gunsten seiner Gegner. Bei Unklarheiten reden die Teamchefs miteinander und klären die Situation, sagt Christian Hoffmann. «Curling ist eine der wenigen Sportarten, die keinen Schiedsrichter braucht.» Und auch Kameras zur Beweisführung brauche es nicht.
Ein Entscheid wird im Curling akzeptiert, ohne dass Mitspieler oder Gegner kritisiert oder beschimpft werden. Curling sei ein fairer und geselliger Teamsport auf und neben dem Eis. Wer gewinnt, zahlt dem Verlierer nach dem Match den Apéro. Das sei Tradition in diesem Sport, meint Christian Hoffmann.
Eine Schweizer Nationalmannschaft gibt es nicht
Eine Nationalmannschaft wie im Fussball oder anderen Sportarten existiert im Curling nicht. Stattdessen wird in nationalen Ausscheidungen zwischen den Clubs dasjenige Team ermittelt, welches die Schweiz an internationalen Turnieren vertreten darf.
Impressionen aus der Curlinghalle in Baden
Geschlechterübergreifend gewann die Schweiz in der Elite bis 2023 insgesamt 38 WM-Medaillen und 58 EM-Medaillen. EM-Silber trug 2019 auch Skip Marcel Häusseler mit seinem Team für die Schweiz nach Hause. Der zweifache Schweizermeister ist vor einem Jahr vom Spitzensport zurückgetreten.
Auf einem Top-Niveau entscheidet sich Curling zu 80 Prozent im Kopf.
Technisch sind an der Spitze alle Teams top, sagt der ehemalige Profi-Curler Marcel Käufeler. In dieser Liga seien die feinen Skills entscheidend und nicht mehr die groben. «Auf Top-Niveau entscheidet sich Curling zu 80 Prozent im Kopf.», so Käufeler. Wenn es auf den letzten Stein im Spiel ankommt, sei der Druck am grössten. Es sei aber auch der schönste Moment, wenn man das Spiel mit dem letzten Stein gewinnt – dann seien die Emotionen am höchsten.