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Das Leiden am Mont Ventoux (F) «Halb Hölle, halb Himmel» – für Velofreaks ein Muss

Mont Ventoux – jährlich versuchen sich rund 200‘000 Freizeit-Gümmeler an diesem kahlen Riesen: 1600 Meter Höhendifferenz, verteilt auf rund 20 Kilometer. Vorbild ist den Radfahrern die «Tour de France». Alle paar Jahre baut diese den Mont Ventoux als Etappe ein.

Der Riese der Provence

Wer in Frankreich auf der Autobahn Richtung Mittelmeer fährt, erblickt kurz nach Valence eine weit auslaufende Pyramide: Den Mont Ventoux. Er trägt den Beinamen «géant de Provence» – Riese der Provence.

Blick auf Fels und Gröss am Mont Ventoux.
Legende: Eine Wüste aus Fels und Geröll, mit gnadenloser Steigung: Die Spitze des Mont Ventoux. Ueli Zindel

Die Spitze vom Mont Ventoux ist eine Wüste bestehend aus Fels und Geröll. Aus der Ferne könnte man glauben, es handle sich um ewigen Schnee. Der Gipfel erhebt sich nur 1912 Meter über dem Meeresspiegel. Doch der Berg überragt die gesamte Provence, und auf dem First öffnet sich eines der prächtigsten Panoramen von ganz Europa. Bei klarer Sicht erkennt man den Lauf der Rhone, die Pyrenäen, die Spitzen der Alpen und das Mittelmeer.

Gefährliche Rennstrecke

Im Jahr 1951 nahm die Tour de France den «géant de Provence» erstmals in ihre Rennstrecke auf. Das Sportereignis machte den Berg weltweit auch für Hobbyvelofahrer zur Attraktion. Wer ein richtiger Velofahrer sein wolle, müsse mindestens ein Mal das Schlüsselbein gebrochen - und den Mont Ventoux bestiegen haben, sagte der Sportreporter Martin Born.

Ein gewichtiger Velofahrer mit seiner Begleiterin kurz nach Start am Mont Ventoux.
Legende: Die Strasse ist offen für alle Gewichtsklassen: Hobbyfahrer kurz nach dem Start. Ueli Zindel

Etwas bitterer ist der Unterton des Chefarztes vom Regionalspital von Carpentras: Der Ventoux sei heute ein Je-ka-mi-Gelände geworden; viele Velofahrer, Mann oder Frau, jung oder alt, hätten keine Ahnung, worauf sie sich einliessen. Immer wieder ende eine Fahrt in seiner Notfallstation. Durchschnittlich fünf Menschen pro Jahr verlieren an diesem Berg pro Jahr ihr Leben. Der Grund: Überhitzung, Herzschwäche, oder durch die Kollision mit entgegenkommenden Autofahrern.

«Halb Hölle, halb Himmel»

Ein englischer Schriftsteller nannte den Mont Ventoux «halb Hölle, halb Himmel». Die Windverhältnisse können stürmisch, die Hitze gnadenlos sein. Die Strecke vom Fuss bis zum Gipfel ist zwar nur rund 20 Kilometer lang – die durchschnittliche Steigung beträgt sieben Prozent. Die kahle, unbarmherzige Steinpyramide gehört zu den den Monumenten der «Tour de France». Sie wird in einem Atemzug genannt mit dem Col du Tourmalet in den Pyrenäen, dem Col du Galibier in den Hochalpen sowie der Bergankunft in Alpe d'Huez.

Der Veloclub aus dem Appenzell

Der Veloclub «Pig Attack» hat sich gründlich auf seine Reise in die Provence vorbereitet. Die 14 Männer zwischen 45 und 68 Jahren radelten über eine Woche 130 Kilometer täglich durch das Burgund, die Auvergne und die Ardèche.

Velofahrer am Start der Mont Ventoux-Etappe.
Legende: Und los geht’s ! Fahrer des Appenzeller Clubs am Etappen-Start Pierre Breitenmoser

Der Ventoux bildet den Höhepunkt ihrer jährlich stattfindenden Frankreich-Tour. Eine klare Rollenverteilung während der Fahrt garantiert den Zusammehalt der Gruppe, die Nivellierung des Tempos, die Berücksichtigung unterschiedlicher Kräfte. Bestens trainiert, haben die Mitglieder des Clubs die Spitze des Riesen unversehrt erklommen.

«Achtung, Ferdi, das ist kein Berg wie alle anderen!»

Nahaufnahme von Ferdi Kübler auf dem Fahrrad.
Legende: Ferdi Kübler SRF / Screenshot

In den fünfziger Jahren gewannen zwei Schweizer Rennfahrer die «Tour de France»: Hugo Koblet und Ferdi Kübler. Für «Ferdi national» wurde der Mont Ventoux zu einem persönlichen Desaster. Bereits zu Beginn der Bergstrecke schlug er ein wahnwitziges Tempo an. «Achtung, Ferdi, das ist kein Berg wie alle anderen!», rief ihm ein Kollege nach. «Ferdi ist auch kein Fahrer wie alle andern», entgegnete Kübler, damals amtierender Weltmeister. Die Strafe für seinen Übermut war hart. Kurz vor dem Gipfel fuhr er Zickzack und redete wirres Zeug. Das Rennen gab er auf - und nicht nur das. An der abendlichen Pressekonferenz erklärte «Ferdi national», dass seine Karriere hiermit beendet sei: «Der Mont Ventoux hat mich getötet». Danach nahm er nie mehr an einem grösseren internationalen Rennen teil.

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