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Die BuchKönig bloggt Ein teuflisch gutes Debüt aus Tasmanien!

Davon träume ich schon lange: einmal nach Down Under, in den australischen Busch gehen. Dorthin, wo Zikaden zirpen, Giftspinnen krabbeln, Koalas sich ihre Bäuche mit Eukalyptus vollschlagen. Mit Josephine Rowes mitreissendem Debütroman «Ein liebendes, treues Tier» wird dieser Traum wahr!

Josephine Rowes Roman «Ein liebendes, treues Tier» liegt in einer typischen australischen Landschaft
Legende: Faszinierende Tierwelt Australien ist die Heimat von Kängurus, Koalas, Riesenwaranen, Emus, Wildkaninchen und vielen anderen exotischen Tierarten. SRF

1991, Neujahrstag. Evelyn wickelt mit ihren Töchtern Lametta und Lichterketten auf. Schafft eine Kiste mit Weihnachtsschmuck in die Garage raus. Normalerweise wimmelt es dort nur so von Rotrückenspinnen. Igitt. Aber Onkel Tetch hat sauber gemacht. Seit Evelyns Mann Jack fortgegangen ist, kommt er immer mal wieder vorbei. Schaut zum Rechten, hilft, wo man ihn braucht. Evelyn denkt an die Küstenjahre zurück, oben im Norden. Damals war sie jung, schön, schlank wie ein Windhund. Das war, bevor sie Jack kennengelernt hat und mit ihm in den Süden durchgebrannt ist. Jetzt ist sie vierzig und fühlt sich ausgedörrt. «Diese weit ausgreifende Leere, die unaufhaltsam in einen eindringt; hier kann sich nicht plötzlich Schönes oder Unwahrscheinliches heranpirschen. Man sähe es aus weiter Ferne am aufgewirbelten Staub, und bei der Ankunft wäre es schon wie erloschen, abgenutzt. Überraschend ist nur die Grausamkeit, nur die toxische Langeweile, die alle Fantasie verbiegt wie der Wind die Zypressen.»

Bewertung: vier Kronen

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So selten wie ein Tasmanischer Teufel: faszinierend, animalisch, tiefgründig

Evelyn erinnert sich an den Anblick der zerfetzten Belle. Die Teile des Collies waren über den ganzen Garten verstreut. Der Verlust dieses treuen, liebenden Hunds hat Jack schwer zugesetzt. So, dass er fortgegangen ist. Gott sei Dank weg! Evelyn wird nicht mehr nach ihm suchen, wie sie es jahrelang getan hat, um die Familie zusammenzuhalten. «Die Freude, die Hoffnung von einst wiederfinden, in den weiten, hellen Raum in ihrem Inneren zurückkehren, der in den letzten siebzehn Jahren versperrt war. Das könnte ein Anfang sein. Jack ist weg, diesmal vielleicht endgültig. Aber ihre Töchter glauben nicht mehr daran.»

Karte von Australien
Legende: Belle - das liebe, treue Tier Jack hat das Border Collie Weibchen «Belle» unter der Pyalong-Brücke gefunden, als sie noch ganz winzig gewesen war. SRF

Daumen rauf

  • Teuflisch gut. Josephine Rowe leuchtet die Abgründe einer unglücklichen Familie aus. Sie erzählt von Liebe, Verlust und fehlendem Mut für einen Neuanfang. Aus der Perspektive von fünf Familienmitgliedern erfahre ich alles über die Seelenzustände der Eltern Jack und Evelyn, der Töchter Ru und Lani. Die wichtigsten Zäsuren in ihrem Leben. Ihre Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen. Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt. Jedes liest sich wie eine Short Story à la David Constantine . Die Lebenssituation, den Hintergrund, die Verhaltensweisen und Beziehungsmuster ihrer Figuren schildert Rowe in einer sehr reduzierten Sprache. Wenige Worte erzählen eine ganze Geschichte – zum Beispiel die Postkarte, die Evelyn von ihrer Schwester zu Weihnachten erhält: «Es ist besser, geliebt zu haben und zu verlieren, als für immer mit einem Irren zusammenzuleben.» Und dann spielt der ganze Roman mehrheitlich an einem einzigen Tag. Blendet zurück und nach vorne. Grossartig!
  • Tragisch. Vater Jack leidet an einer posttraumatischen Störung. Er hat den Krieg in Vietnam nie überwunden. Hat ihn sogar mit nach Hause gebracht. Vielen Australiern ist es so ergangen. Seine Wut über das Geschehene zerstört die Familie. Wenn Jack keine Tranquilizer schluckt, rastet er aus. Evelyn zuckt nicht mit der Wimper, wenn seine Faust mal wieder neben ihrem Kopf in die Wand schlägt. Gleichwohl «versuchte sie jede einzelne Nacht ihres Lebens, Jack aus dem Dschungel, aus dem Sumpf zu holen, fort vom Lärm unsichtbarer Gewehrschüsse, von unheimlichen Lichtern zwischen Bäumen.» Und auch die beiden Töchter wissen um die Gespensterfalle in Daddys Kopf: «Wenn er den Mund aufmacht, muss er alles daransetzen, dass sie ihm nicht unter Geheul entkommen. Aber sehen kann man sie, wie sie in der Dunkelheit hinter seinen Augen hin und her huschen wie ein balinesisches Schattenspiel.»
  • Brachial. Josephine Rowe beschreibt das Leben im australischen Busch so naturgetreu, dass mein Traum von «Auf und Davon» definitiv ausgeträumt ist. Da kreischen Vögel, da brüllen Koalas. Da «singt sich alles, was unten im Gras lebt, seine Insektenseele aus dem Leib» . Da erstrecken sich Weideland und Brombeerdickicht, endlos. Da ist die Nacht tiefschwarz. Da schleichen sich meuchelnde Raubtiere heran, die es auf Hund, Katze oder Kaninchen abgesehen haben. Da rasen in der Dunkelheit Jungs auf ihren knatternden Mopeds auf furchigen Feldwegen um die Grundstückgrenze. Ballern herum. Von wilder Naturromantik keine Spur. Thanks a lot Mrs. Rowe! In der Schweiz ist es eigentlich doch ganz schön… Und apropos Zikadengezirpe: Habt ihr gewusst, dass diese Insekten nur sechs Wochen Zeit haben, um «herumzufliegen, Lärm zu machen und Sex zu haben, bevor sie sterben? Ein sehr mieser Tausch nach sieben untätigen Jahren als Larven unter der Erde.»

Daumen runter

Etwas habe ich zu zirpen: Das erste und letzte Kapitel schreibt Rowe in der Du-Form. Bis ich herausgefunden habe, wer da erzählt, hat es eine halbe Ewigkeit gedauert. Das hat mir den Einstieg erschwert. Und der Sinn und Zweck dieser Perspektive erschliesst sich mir nicht. Will Rowe Distanz schaffen? Will sie künstlich Spannung erzeugen? Oder ist die Du-Erzählerin den anderen übergeordnet?

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Der Roman «Ein liebendes, treues Tier» liebt auf einem weissen Teller
Legende: Bei der Lektüre von «Ein liebendes, treues Tier» trocknet Annette König die Kehle aus. Erleichterung kann ihr nur ein Glas eisgekühlte Ingwerlimonade verschaffen. SRF

Die Autorin

Josephine Rowe wurde 1984 in Queensland geboren. Sie gehört zu den wichtigsten jungen Stimmen der australischen Literatur. Ihre Erzählungen erschienen u.a. bei McSweeney’s und in der Paris Review. 2016 wurde sie für ihre Kurzprosa mit dem Elizabeth Jolley Prize ausgezeichnet. Im selben Jahr erschien auch ihr Debütroman «Ein liebendes, treues Tier». Josephine Rowe lebt in Tasmanien.

Das Buch: Josephine Rowe: «Ein liebendes, treues Tier» ( liebeskind, 2019)

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Annette König

SRF Literatur Redaktorin & Bloggerin

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Die Germanistin teilt in ihrem Blog «Die BuchKönig» ihre Lese-Leidenschaft mit allen, die Bücher lieben. Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Melancholie, Heiterkeit, Verzauberung, Unbehagen und Anzeichen schwerer (Sprach)Verliebtheit sind nicht ausgeschlossen.

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