Zum Inhalt springen
Annette König liegt auf einem Spaghetti-Liegestuhl und liest «Ein unvergänglicher Sommer» von Isabel Allende
Legende: Unvergänglich, dieser Sommer! Annette König geniesst sichtlich. Gleichwohl gibt's für «Ein unvergänglicher Sommer» nur zwei Kronen: zu kitschig, zu oberflächlich. SRF

Die BuchKönig bloggt Isabel Allende schreibt für den Liegestuhl

Ahhh! Der neue Roman «Ein unvergänglicher Sommer» von Isabel Allende ist eine Wohltat - aber leider nur bei hochsommerlichen Temperaturen! Er liest sich etwas sehr easy-peasy im Spaghetti-Liegestuhl. Ohne dass ich meine grauen Hirnzellen anstrengen muss.

«Mängisch bruuuuuuch ich daas». Ein Buch, das ich wie ein kaltes Coke runterstürzen kann: unterhaltsam, unkompliziert, erfrischend seicht. So wie Isabel Allendes neuer Roman «Ein unvergänglicher Sommer». Schund, wenn man ihn mit Allendes weltberühmter Familiensaga «Das Geisterhaus» vergleicht.

Wertung: zwei Kronen

Box aufklappen Box zuklappen

Isabel Allende setzt auf Altbewährtes: starke Frauen, Schicksalsschläge und Neuanfänge. Naja.

Lucía Maraz stammt aus Santiago/Chile. Sie ist eine temperamentvolle Südamerikanerin, die sich nach Sex, Romantik und Liebe sehnt. Ihr Chef, Professor Richard Bowmaster, hat sie als Gastdozentin an die New York University geholt. Er, ein attraktiver Eigenbrötler, lässt Lucía in seinem Haus in Brookyln im Souterrain wohnen. In einem ungeheizten Kellerloch. Lucía flucht täglich über die Kälte. Und über Richard, der ihre libidinösen Gefühle nicht erwidert.

Rezept für eine chilenische Totenerweckungssuppe
Legende: Chilenisches Wundergericht Eine Totenerweckungssuppe ist ein «gehaltvolles chilenisches Gericht, das einem Unglücklichen das Gemüt und einem Kranken den Körper stärkt». Lucía kocht sie für sich, um das Gefühl von Einsamkeit zu verscheuchen. SRF

Doch dann ändert ein Auffahrunfall von Richard alles. Die Fahrerin des anderen Autos - ein Kindermädchen aus Guatemala - ist völlig verzweifelt. Im eingedellten Kofferraum ihres Autos liegt eine Leiche. Zur Polizei kann sie nicht. Sie ist illegal im Land. Richard ist mit der Situation überfordert. Er braucht dringend Unterstützung und bittet Lucía um Hilfe. Die weiss Rat: Die Leiche muss verschwinden! Mit der Toten im Gepäck geht es ab in die kanadischen Wälder. Und auf dieser Reise finden Lucía und Richard zueinander.

Daumen rauf

  • Entschleunigt. Dieser Roman entschleunigt mich, weil er so wunderbar trivial, einfach und direkt geschrieben ist. Ich tauche sofort ein. Verliere jegliches Zeitgefühl. Die Zeit dehnt sich, steht still. So unvergänglich müsste jeder Sommertag sein. Was für ein erhabenes Gefühl!
  • Fesselt. Isabel Allende beherrscht die Kunst des Erzählens. Humorvoll, einfühlsam und beherzt verwebt sie die Leben von Lucía, Richard und dem guatemaltekischen Kindermädchen miteinander. Lässt sie während ihres Trips in den Norden einander ihre Schicksalsschläge erzählen. Ein Page-Turner.
  • Vermittelt. Ich erfahre viel über die Lebenswirklichkeit der Hispanics in den USA, über Schleppertum und Illegale, über das harte Leben und die Gewalt in Chile, Guatemala und Mexiko.

Daumen runter

  • Schwächelt. Die Kernstory mit der Leiche trägt nicht bis zum Schluss. Die Jungmädchenfantasien von Lucía sind überzogen. Das Happy End ist furchtbar kitschig. All das lässt meine «Daumen-rauf-runter-Bilanz» ins Minus kippen.
  • Stösst auf. Der Mix aus Romanze, Spannung und Schicksalsschlägen ist zwar unterhalsam, gleichwohl stösst er mir nach der Lektüre auf. Kindstod, Krebs, Folter, Hinrichtung, Verrat, Suizid, Mord. Alles schneidet Allende an, ohne je richtig eine Tranche abzuschneiden.
  • Bringt nichts Neues. Allendes Romanfiguren kommen zu banalen Lebenseinsichten. Beispielsweise, dass man auch mit 60 noch träumen, hoffen und lieben kann. Dass das Erschreckendste am Tod die Aussicht auf Unendlichkeit ist. Dass die Zeit schnell vergeht. Dass nur unsere Physis altert, nicht aber unsere Seele. Dass wir Frauen ein Recht auf Jungmädchenfantasien haben und es nie zu spät ist, nach grossen Gefühlen zu jagen.
  • Und dann dieses Cover. Erinnert stark an Elena Ferrantes neapolitanische Erfolgs-Saga «Meine geniale Freundin». Eine Marketingstrategie. Vermutlich erhofft sich der Verlag davon, dass die Leserschaft dem Irrtum aufsitzt, dass Allendes «Ein unvergänglicher Sommer» Weltliteratur ist.

Darf Literatur auch mal seicht sein? Diskutiert mit auf Facebook.

Der Roman «Ein unvergänglicher Sommer» von Isabel Allende liegt auf einem Spaghetti-Liegestuhl, ein Eis-Zitronen-Limonade steht daneben
Legende: Annette König stürzt «Ein unvergänglicher Sommer» von Isabel Allende runter wie ein kaltes Erfrischungsgetränk. SRF

Die Autorin

Isabel Allende, geboren 1942, arbeitete in ihrer Jugend als Journalistin in Chile. Nach Pinochets Militärputsch ging sie 1973 ins Exil, wo sie ihren Weltbestseller «Das Geisterhaus» schrieb. Isabel Allende lebt mit ihrer Familie in Kalifornien. Sie gehört zu den beliebtesten und meistgelesenen Schriftstellerinnen weltweit. Ihr gesamtes Werk - bislang 22 Bücher - erscheint auf Deutsch im Suhrkamp Verlag.

Das Buch: Isabel Allende: «Ein unvergänglicher Sommer» (2018, Suhrkamp)

Sämtliche Blogs von der «BuchKönig» könnt ihr hier nachlesen. Und die «BuchBar» hier nachhören:

Annette König

SRF Literatur Redaktorin & Bloggerin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Die Germanistin teilt in ihrem Blog «Die BuchKönig» ihre Lese-Leidenschaft mit allen, die Bücher lieben. Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Melancholie, Heiterkeit, Verzauberung, Unbehagen und Anzeichen schwerer (Sprach)Verliebtheit sind nicht ausgeschlossen.

Zum Blog «Die BuchKönig bloggt»

Meistgelesene Artikel