Buch Nummer 1
Philipp Weiss: «Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen» (2018, Suhrkamp). Was für ein Roman! 1000 Seiten und fünf Bände. Ein furioses Debüt, das von der Verwandlung der Welt im Anthropozän erzählt. Im Zeitalter, in dem der Mensch zur treibenden Kraft geworden ist. Angelegt zwischen dem 19. und 21. Jahrhundert, zwischen Frankreich und Japan, in Form von Enzyklopädie, Erzählung, Notizheft, Aufzeichnung und Comic. Wahnsinnig reichhaltig, irritierend, verblüffend.
Buch Nummer 2
Connie Palmen: «Du sagst es» (2016, Diogenes). Sylvia Plath und Ted Hughes sind das tragische Liebespaar der modernen Literatur. Sie galt nach ihrem Suizid als Märtyrerin, die von ihrem Doppelleben als Schriftstellerin und Hausfrau zerrieben und von ihrem Mann betrogen wurde. Er galt als Verräter, der nie Stellung nahm und nach ihrem Tod ihr Tagebuch vernichtet hat. Connie Palmen gibt ihm nun eine Stimme. In diesem fiktiven Bekenntnis blickt er auf seine leidenschaftliche Liebe und Ehe zurück. Wer Sylvia Plath nicht kennt und die Lektüre ausweiten möchte, der soll von Plath den autobiografischen Roman «Die Glasglocke» und «Ariel», ihre legendären Gedichte, auf die Buch-Wunschliste setzen.
Buch Nummer 3
Simon Libsig: «Der Velodieb, der unters Auto kam» (2018, Librium). Der junge, verliebte Student Frederik Dubois wird durch einen Velodiebstahl in ein Verbrechen hineingezogen, dessen Ausmass er nicht erahnen kann. Eine Kriminalgeschichte mit Schwung und Witz, die in der kleinen Bäderstadt spielt. Oh ja, als Badenerin bin ich vom Setting besonders angetan. Und wenn dann der Mörder in den Heilquellen seine Runden schwimmt? Und der Bademeister einfach so ersäuft... Simon Libsig ist ein guter Geschichtenerzähler, ganz in der Tradition von Franz Hohler: die Sprache einfach, ohne Firlefanz. Die Story fantasievoll, unterhaltsam, aberwitzig.
Buch Nummer 4
Edward St. Aubyn: «Melrose» (2016, Piper). Dieser fünfteilige Romanzyklus ist eine Wucht: die Sprache virtuos, die Story packend, Aubyns Beschreibung auf die englische Upperclass mit Bullterrier-Biss. Auf Sky ist der Page-Turner als Miniserie zu sehen, mit Benedict Cumberbatch in der Hauptrolle. Lechz. Die Hauptfigur heisst Patrick Melrose und ist das Alter Ego des Autors. Denn Aubyn erzählt in seinem Mehrteiler seine eigene fatale Familiengeschichte. Die Geschichte eines begabten und sensiblen Jungen aus der britischen Oberklasse, der mit einigem fertig werden muss: mit sterbenden Eltern, Heroin, Missbrauch in der Kindheit, Gefühlskälte, Selbstmord, Alkoholismus. Ich folge Patrick in die Kindheit, dann durch seine drogenvernebelten Zwanziger bis in die Krisen der späteren Jahre. Ob das alles gut kommt?
Buch Nummer 5
Verena Rossbacher: «Ich war Diener im Hause Hobbs» (2018, Kiepenheuer & Witsch). Christian ist Diener der reichen Zürcher Anwaltsfamilie Hobbs. Wie kein anderer durchblickt er deren Familienangelegenheiten und ist gleichzeitig die Verschwiegenheit in Person. Doch dann findet er einen Toten im Gartenpavillon. Jahre später blickt er zurück und versucht zu verstehen, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Dabei kommt er einem grossen Geheimnis auf die Spur. «Ein fulminanter Roman zwischen Robert Walser und Downton Abbey» sagt mein Kollege Julian Schütt in der Sendung 52 Beste Bücher . Ein Vergleich, der mir gleich den Ärmel rein zieht!
Buch Nummer 6
Usama Al Shahmani: «In der Fremde sprechen die Bäume arabisch» (2018, Limmat). Der irakische Autor erzählt in seinem autofiktionalen Roman aus seinem Leben. Wie er in der Schweiz eine neue Heimat findet. Doch der Spagat zwischen der alten und neuen Heimat ist gross. Zum Glück gibt es da Bäume, mit denen man arabisch sprechen kann. Über Trauer, Sehnsüchte, Hoffnungen, darüber, dass der eigene Bruder im Irak spurlos verschwunden ist, während man selbst mitten im Asylverfahren steckt. Eine schweizerisch-irakische Kulturgeschichte des Baumes. Verfasst in einer anschmiegsamen, poetischen Sprache. Ich bin beeindruckt. Usama Al Shamani habe ich vor zwei Jahren bei einem Interview kennengelernt. Er hat für mich ins Arabische übersetzt. Im Irak war er Literaturwissenschaftler. Hat Theaterstücke geschrieben. Heute ist er Schriftsteller, Dolmetscher, Übersetzer und Kulturvermittler.
Buch Nummer 7
Steven Pinker: «Aufklärung jetzt» (2018, S. Fischer). Endlich mal kein Kulturpessimist! Bestsellerautor Pinker klärt auf, dass das Schwarzmalen grundfalsch ist. Es sind nicht Hass, Populismus und Unvernunft, die die Welt regieren. Der Autor hat die Entwicklung der vergangenen Jahrhunderte gründlich untersucht und beweist in seiner fulminanten Studie, dass unser Leben stetig viel, viel besser geworden ist. Heute leben wir länger, gesünder, sicherer, glücklicher, friedlicher und wohlhabender denn je, und zwar nicht nur in der westlichen Welt. Der Grund: die Aufklärung und ihr Wertesystem. Licht an!
Bücherliste
- Philipp Weiss: «Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen» (2018, Suhrkamp)
- Connie Palmen: «Du sagst es» (2016, Diogenes)
- Simon Libsig: «Der Velodieb, der unters Auto kam» (2018, Librium)
- Edward St. Aubyn: «Melrose» (2016, Piper)
- Verena Rossbacher: «Ich war Diener im Hause Hobbs» (2018, Kiepenheuer & Witsch)
- Usama Al Shahmani: «In der Fremde sprechen die Bäume arabisch» (2018, Limmat)
- Steven Pinker: «Aufklärung jetzt» (2018, S. Fischer)
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