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Ehrenamt mit Tücken «Götti oder Gotti sein sollte kein Tauschgeschäft sein»

Götti oder Gotte werden ist wunderbar. Aber das Ehrenamt hat seine Tücken. Nicht selten sind die Erwartungen zu hoch.

Wen soll man als Gotte oder Götti anfragen?

Nimmt man jemanden aus der Familie als Gotti oder Götti, weil das Tradition ist? Oder sollte man die Schwester als Gotte auswählen, weil man ja auch bei ihrem Kind zum Zug kam? Barbara Wüthrich weiss aus ihrer Tätigkeit als Elternberaterin bei der Pro Juventute, dass das Amt oft schon am Anfang, bei der Wahl des Göttis oder der Gotte, mit Erwartungen verbunden ist. Das Gleiche gilt gemäss Wüthrich beim Freundeskreis: Götti oder Gotte sein sollte kein Tauschgeschäft sein oder eine Freundschaft zementieren. Und natürlich sollten sich auch die Eltern einig sein, wen man als Götti oder Gotte anfragen möchte.

Wie ist es bei Ihnen?

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Mann mit Kind auf dem Sofa.
Legende: Mit dem Götti darf man auch mal etwas tun, dass man bei Mama und Papa nicht dürfte. shutterstock/Lopolo

Was macht das Amt aus?

«Es geht darum, dem Kind eine erwachsene Person zur Seite zu stellen, die es durchs Leben begleitet», sagt Wüthrich. Das Amt sei schlussendlich eine Beziehung zwischen Kind und Götti oder Gotte. Das Materielle solle in keinem Fall im Vordergrund stehen, vielmehr solle das Kind einen erwachsenen Freund oder eine erwachsene Freundin haben. Deshalb sei es wichtig, von Anfang an zu definieren, was man als Eltern von einem zukünftigen Götti erwarte, aber auch die angehende Gotte solle einbringen dürfen, was sie leisten kann und will.

Religiöser Hintergrund der Patenschaft

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Religionsredaktorin Olivia Röllin
Legende: Religionsredaktorin Olivia Röllin SRF

SRF: Was sind die Aufgaben einer Gotte oder eines Göttis im Christentum?
Olivia Röllin: Götti und Gotte wirken an der Liturgie bei der Taufe mit und bekennen in der Tauffeier stellvertretend für das Kind und die ganze Kirche ihren Glaube. Sie sollen auch die Eltern unterstützen, dass das Kind im Glauben aufwächst und christlich erzogen wird. Insgesamt werden sie als Wegbegleiter im Glauben und Wegbegleiter im Leben verstanden. Sie gelten als Bezugspersonen und Vorbilder nebst den Eltern. Es ist eine lebenslange Aufgabe, die eigentlich nicht mit Volljährigkeit beendet ist.


Wie hat sich die Rolle als Gotte und Götti aus Sicht der Kirche über die Jahre verändert?
An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert änderte sich der Stellenwert der Paten: Der Aspekt der sozialen Sicherung verlor an Bedeutung. Immer häufiger wurden Paten und Patinnen aus dem Kreis der nahen Verwandten ausgewählt. Es gab ein Bedürfnis nach einer stärkeren Bindung innerhalb der Verwandtschaft. Im 19. Jahrhundert nahm vor allem im Bürgertum die Beziehung zum Paten individuellere und vertrautere Züge an. Trotz der Säkularisierung im 20. Jahrhundert kommt den Paten auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine wichtige Bedeutung zu. Dies spiegelt sich vor allem im Austausch von Geschenken bei bedeutenden Anlässen und in der Anwesenheit der Paten bei wichtigen Lebensstationen der Patenkinder.


Kann jede Gotte und jeder Götti werden?
Ursprünglich muss in der katholischen Kirche der Pate oder die Patin getauft sein und sollte dem Patenkind in spirituellen Angelegenheiten beistehen und ein christliches Leben führen. Genauer definiert wird das im römisch-katholischem Kirchenrecht. Darin steht beispielsweise, dass es maximal zwei Paten geben soll, von denen einer männlich und eine weiblich sein müssen. Ausserdem muss eine Patin oder ein Pate gemäss dem Kirchenrecht mindestens 16 Jahre alt, katholisch und gefirmt sein. Heute ist es oft so, dass es reicht, wenn eine der Personen Mitglied der Kirche ist. Dies gilt auch für die evangelische Kirche. Diese Regelung wird allgemein anerkannt, liegt jedoch immer im Ermessen der jeweiligen Pfarrei, beziehungsweise des jeweiligen Pfarrers.

Erwartungen immer mal wieder definieren

Die hohen Erwartungen kommen meist von den Eltern, nicht vom Kind, sagt Elternberaterin Wüthrich. «Letzthin klagte eine Mutter in der Beratung, dass der früher sehr engagierte Götti nach einer Trennung jetzt eine neue Partnerin habe und nun weniger Zeit für das Patenkind. Einmal pro Jahr aber backe er zusammen mit dem Kind einen Kuchen.» Für die Mutter war das zu wenig Engagement. Bei der Beratung habe sich aber herausgestellt, dass das Kuchenbacken für das Kind etwas ganz Besonderes sei und es genau diese Stunden mit dem Götti sehr geniesse. «Die Mutter konnte dann akzeptieren, dass das Kuchenbacken die Erwartungen des Kindes erfüllt, wenn nicht gar übertrifft.» Eine Kündigung des Amtes sei deshalb nicht nötig gewesen.

Wenn die Beziehung abkühlt

Wie das Beispiel mit dem Kuchenbacken zeigt, muss man nicht immer die Flinte ins Korn werfen. Das Kündigen des Ehrenamtes sollte der letzte Ausweg sein. Schliesslich geht es um das Kind. Andererseits könne sich bei einem Gespräch auch zeigen, dass ein klarer Schnitt den Weg für Neues öffnen könne, vielleicht für eine Person, zu der das Kind ein besseres Verhältnis aufgebaut habe, als zum Götti oder der Gotte. Lebensumstände würden sich ändern und manchmal funktioniere es einfach nicht mehr. «Aber auch wenn eine Freundschaft mit den Jahren abkühlt, kann das Verhältnis zum Patenkind weiter funktionieren», sagt Wüthrich.

Es geht darum, dem Kind eine erwachsene Person zur Seite zu stellen, die es durchs Leben begleitet.
Autor: Barbara Wüthrich Elternberaterin Pro Juventute

Die Sache mit den Geschenken

Götti oder Gotte sollten nicht nur als Geschenkboten in Erscheinung treten. Bestenfalls spricht man sich gemäss Wüthrich vorher mit den Eltern ab, was man dem Kind schenken darf. Das gelte besonders dann, wenn es um ein Handy oder um Haustiere gehe. «Viel wichtiger ist die Beziehung zum Kind und dass man ihm zur Seite steht», sagt Wüthrich. Klar, gehören da auch Unternehmungen dazu. Und das müssen nicht nur ausgefallene Ausflüge sein.

Sie selber schenkt ihrem «Gottebueb» zu Weihnachten Zeit – Zeit, sich in einem Spielwarenladen zwei Stunden lang alles anzusehen und berühren zu dürfen und so ein Geschenk auszulesen. Das wahre Geschenk sei nicht dasjenige, welches er dann stolz nach Hause trage, sondern die Zeit, die sie ihm schenke. Zeit so lange, wie er Lust habe, mit ihr in einem Spielwarengeschäft zu sein. Wer hätte sich das als Kind nicht auch gewünscht?

Radio SRF 1, Familienvormittag, 16. April 2022, 10.10 Uhr ; 

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