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Erwartbare Wahl «Strommangellage» ist das Wort des Jahres 2022

Mit «Strommangellage» und «Schutzstatus S» schlagen sich die Folgen des Ukrainekriegs gleich in zwei von drei Wörtern des Jahres nieder. Dazu kommt mit «Frauen-Ticket» ein gesellschaftspolitischer Begriff.

Könnte man auf das Schweizer Wort des Jahres wetten, dann hätte «Strommangellage» wohl die tiefste Quote gehabt. Die Wahl lag auf der Hand – in der zweiten Jahreshälfte hat die winterliche Energieversorgung den Diskurs in der Schweiz geprägt.

Drohender Strommangel

Das Wort «Strommangellage» verdeutliche die aktuelle Versorgungsunsicherheit, obwohl die Schweiz in den europäischen Stromhandel eingebunden sei, schreibt die Jury. Und auch der Ukraine-Krieg – 2022 ebenfalls eines der prägendsten Themen – trage dazu bei, dass die Angst vor einem «dunklen, kalten Winter in den Schweizer Stuben» umgehe.

Ausserdem sei «Strommangellage» ein spezifisch schweizerisches Wort – in Deutschland oder Österreich ist der Begriff trotz Energiekrise nicht geläufig.

Wort des Jahres: So funktioniert die Wahl

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Das Wort des Jahres gibt es in der Deutschschweiz seit 2003. Bis 2016 wurde es vom «Büro Wort des Jahres» bestimmt. Seit 2017 ermittelt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) das Wort des Jahres.

Welche Wörter kommen in Frage?

Sprachforscherinnen und Sprachforscher des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW erstellen eine Liste mit einigen Dutzend Wortkandidaten. Grundlage für diese Liste sind erstens die Analyse des Textkorpus «Swiss-AL», eine Sammlung von digitalen Texten mit mittlerweile über 2 Milliarden Wörtern; zweitens Einsendungen aus der Bevölkerung und drittens Vorschläge der Jury-Mitglieder. Die Jury besteht aus Sprachprofis aus Journalismus, Kunst und Wissenschaft.

Wer wählt die Siegerwörter aus?

Die Jury wählt unter Berücksichtigung der ihr vorgelegten «Longlist» die drei Siegerwörter, die am 29. November bekanntgegeben werden. Dasselbe Prozedere wird parallel in allen Landessprachen mit je eigener Jury durchgeführt. Alle Wörter des Jahres in der Deutschschweiz, Romandie, italienischsprachigen Schweiz und in der Rumantschia finden Sie weiter unten in diesem Artikel.

Noch unmittelbarer spiegelt sich der Ukrainekrieg im drittplatzierten Wort «Schutzstatus S» wider: Für Geflüchtete aus der Ukraine hat der Bundesrat erstmals den «Schutzstatus S» aktiviert. So bekamen ukrainische Geflüchtete ein Aufenthaltsrecht ohne ordentliches Asylverfahren.

Debatte um Asyl-Kategorien

Die Entscheidung des Bundesrats sorgte bald für Kritik wegen der Ungleichbehandlung von ukrainischen und anderen Kriegsflüchtlingen – ein weiterer Grund für die starke Verbreitung des Begriffs «Schutzstatus S».

Sprachlich sei das Wort besonders interessant, weil es «menschliches Leid und pure Verwaltungssache» vereine, schreibt die Jury. Ausserdem habe es ebenfalls einen expliziten Schweiz Bezug.

Die Wörter des Jahres in den anderen Landessprachen

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Das Wort des Jahres wird gleichzeitig in allen vier Landessprachen gewählt. In diesem Jahr fällt auf, dass in drei von vier Sprachen der (Strom-)Mangel auf Platz 1 gelandet ist.

Französisch

Die französischsprachige Jury ist die einzige, welche den Mangel nicht wörtlich gewählt hat. Stattdessen steht «boycotter» auf Platz 1. Die Energiethematik spiegelt sich aber im Wort «sobriété» wider, welches im Ausdruck «sobriété énergétique», Energiesparen bedeutet:

1.  boycotter (boykottieren)
2.  sobriété  (Nüchternheit)
3.  souffle  (Atem)

Italienisch

In der italienischsprachigen Schweiz nehmen alle drei Wörter Bezug auf den Ukrainekrieg – auf seine energiewirtschaftlichen Auswirkungen, auf die Benennung des russischen Angriffs und auf den Mut, sich gegen Putin zur Wehr zu setzen:

1.  penuria  (Mangel)
2.  invasione  (Invasion)
3.  coraggio  (Mut)

Rätoromanisch

Auch beim rätoromanischen Wort des Jahres ist der Ukrainekrieg allgegenwärtig. Bemerkenswert ist die doppelte Übereinstimmung mit dem deutschsprachigen Wort des Jahres. Auf den dritten Platz wählte die Jury die Heizempfehlung des Bundes:

1.  mancanza  (Mangel)
2.  status S  (Schutzstatus S)
3.  19 grads  (19 Grad)

Auf den zweiten Platz hat die Jury «Frauen-Ticket» gewählt. Ein Wort, das in den letzten Wochen viel zu reden gegeben hat: Die SP-Spitze und die SP-Bundeshausfraktion wollen, dass Bundesrätin Simonetta Sommaruga von einer Frau beerbt wird, was mit dem «Frauen-Ticket» sichergestellt werden soll.

Vor allem die Kritik von Daniel Jositsch heizte die Debatte um das «Frauen-Ticket» an.

Gesellschaftliche Debatten nicht vertreten

Nicht auf das «Wort des Jahres»-Ticket haben es zwei breit diskutierte gesellschaftspolitische Begriffe geschafft: «kulturelle Aneignung» und «non-binär». Die Debatten um Geschlechteridentität (mit den Buchpreisen an Kim de l'Horizon) und kulturelle Aneignung (Rastas und Winnetou) waren 2022 besonders präsent.

Auch die Begriffe selber – «kulturelle Aneignung» und «non-binär» – wurden dieses Jahr einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Gemäss Jury-Leiterin Marlies Whitehouse fiel die Abstimmung nur knapp zu Ungunsten von «kulturelle Aneignung» aus. Der eindeutige Schweizbezug von «Schutzstatus S» habe den Ausschlag gegeben.

Auch die Klimakrise fand dieses Jahr keine Erwähnung. Trotzdem bilden die Wörter «Strommangellage», «Frauen-Ticket» und «Schutzstatus S» das Jahr 2022 gut ab, so die Jury.

Deutschschweizer «Wort des Jahres» 2003 bis 2021

1. Platz 2. Platz 3. Platz
2021 Impfdurchbruch Starkregen entfreunden
2020 systemrelevant Maskensünder stosslüften
2019 Klimajugend OK Boomer Flugscham
2018 Doppeladler Rahmenabkommen 079
2017 #metoo weglachen Influencer
2016 Filterblase
2015 Einkaufstourist
2014 # (Hashtag)
2013 Stellwerkstörung
2012 Shitstorm
2011 Euro-Rabatt
2010 Ausschaffung
2009 Minarettverbot
2008 Rettungspaket
2007 Sterbetourismus
2006 Rauchverbot
2005 Aldisierung
2004 meh Dräck
2003 Konkordanz

Radio SRF 1, 29.11.2022, Morgengast, 07:17 Uhr

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