Die Geflüchteten auf der Insel Lesbos haben mit dem zweiten Lockdown zu kämpfen. Die Baslerin Fanny Oppler ist seit September als Helferin vor Ort. Im provisorischen Flüchtlingslager, welches nach dem Brand in Moria aufgebaut wurde, mangelt es an Lebensmitteln und Hygieneartikeln.
Es gibt nicht einmal fliessend Wasser. Die Menschen können sich kaum vor dem Virus schützen. Und jetzt darf man sich auf der Insel wegen Corona nur noch mit strengen Auflagen frei bewegen. Trotzdem kommt auf Lesbos Weihnachtsstimmung auf.
SRF: Fanny Oppler, wie beeinflusst der Lockdown Ihre Arbeit als Flüchtlingshelferin in einem Gemeinschaftszentrum auf Lesbos?
Fanny Oppler: Wir müssen im Moment leider geschlossen haben, da Versammlungen bis zum 7. Januar verboten sind. Normalerweise betreiben freiwillige Helfer aus dem Flüchtlingscamp das Gemeinschaftszentrum. Wir versuchen sie so gut es geht mit Unterricht in Englisch, Griechisch und Informatik zu unterstützen.
Wenn in Moria Corona wirklich ausbricht, was ich bis jetzt noch nicht gehört habe, stecken sich sehr schnell viele an.
Corona hat auch auf die Bewohnerinnen und Bewohner des Camps einen grossen Einfluss. Können sie sich überhaupt vor dem Virus schützen?
Nur sehr schlecht. Wenn im neuen Camp Corona wirklich ausbricht, was ich bis jetzt noch nicht gehört habe, stecken sich sehr schnell viele an. Sie wohnen auf engstem Raum zusammen und an Hygiene im Camp mangelt es.
Die Menschen dürfen das Camp nur ein paar Stunden pro Woche verlassen. Sie wollen raus und einkaufen. Es gibt keine Geschäfte im Lager, wo sie sich Hygieneartikel oder Nahrungsmittel kaufen könnten. Zum Teil müssen sie auch raus für Termine, die sie mit Ärzten oder Anwälten haben.
Wie sieht ein Lockdown auf Lesbos aus?
In Griechenland muss man ein SMS schicken, wenn man das Haus verlassen möchte. Dafür gibt es sechs Gründe, die man angeben kann, wie zum Beispiel Nahrungsmittel einzukaufen oder jemandem zu helfen, der nicht selbst raus kann.
Wie häufig werden Sie kontrolliert?
Ich selbst bin einmal beim Joggen kontrolliert worden. Die Polizei kontrolliert ständig. Traurig ist, dass es viel «Racial Profiling» gibt. Geflüchtete werden anhand von ihrem Aussehen viel häufiger angehalten und kontrolliert.
Auch Mitarbeitende von Hilfswerken werden oft kontrolliert. Eine Kollegin von mir hatte keine griechische SIM-Karte und konnte kein SMS schreiben. Offiziell erlaubt ist, dass man seine Angaben auch auf ein Blatt Papier schreiben kann. Das wollte die Polizei aber nicht akzeptieren und gab ihr eine Busse von 300 Euro. Dagegen kann man nichts machen.
Es sind zwei Welten auf einer Insel.
Seit drei Jahren sind Sie immer wieder auf Lesbos als Helferin. Jetzt sind sie erstmals länger am Stück hier. Kennen Sie die andere Seite der Insel?
Ich hatte bis jetzt keine Zeit, das Gebiet um das Flüchtlingslager zu verlassen. Wenn man aber länger hier ist, braucht man ab und zu eine Pause. Vor kurzem bin ich auf die andere Seite der Insel gefahren. Es war wunderschön. Dort bekommt man nicht mit, was hier passiert. Es sind zwei Welten auf einer Insel.
Die lokale Bevölkerung bekommt jedoch viel mit. Ihr Leben hat sich geändert, seit es die Flüchtlingscamps gibt. Ist die Insel trotz allem in Weihnachtsstimmung?
Die lokale Bevölkerung hat sich an die Situation gewöhnt und lässt sich nicht davon abhalten, Weihnachten zu feiern. Die Läden konnten beschränkt öffnen, damit man Geschenke kaufen kann. Ungefähr zehn Stunden am Tag läuft Weihnachtsmusik in den Strassen. Es gibt auch viele Geflüchtete, die christlich sind. Ich nehme an, dass sie im kleinen Rahmen im Camp feiern können.
Das Gespräch führte Barbara Meyer.