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Generationen in der Schweiz Sotomo-Studie: Generationengraben ein wachsendes Problem?

Wie steht es um das Zusammenleben von Jung und Alt in der Schweiz? Der jährlich erscheinende Generationenbarometer hat den Puls genommen. Fazit: insgesamt nicht schlecht. Eine Generation fühlt sich allerdings zusehends benachteiligt. Drei Erkenntnisse aus der Studie. 

Der Generationenbarometer

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Frauen aus drei Generationen schauen auf ein Touchpad.
Legende: Colourbox

Der Generationenbarometer ist eine repräsentative Studie, welche vom Forschungsinstitut sotomo im Auftrag des Generationenhauses in Bern durchgeführt wird.

Die Studie erscheint nach 2020 und 2021 zum dritten Mal. Für den Generationenbarometer 2023 wurden im November gut 2700 Personen befragt.

1. Generationengraben: erstmals ein zentrales Thema

Als Konfliktlinie im Vordergrund stand bisher im Generationenbarometer die Vermögensschere. 2021 waren es dann die Corona-Massnahmen. Das hat sich nun geändert – für die Jungen. Zwar ortet nur jede fünfte Person über 45 Jahre einen Generationengraben. Doch spricht eine Mehrheit (57 Prozent) der 18- bis 25-Jährigen davon, dass Jung und Alt auseinanderdrifteten.

«Das sind nicht nur sehr viele Junge, sondern viel mehr als in den letzten Jahren. Das müssen wir ernst nehmen», sagt Till Grünewald. Er ist Gesamtleiter des Generationenhauses in Bern, des Auftraggebers der Studie. Zum Vergleich: 2021 sprach nur jeder Vierte aus der sogenannten «Generation Z» von einem wachsenden Generationengraben.

Krisen treiben Generationen grundsätzlich auseinander.
Autor: François Höpflinger Generationenforscher

Eine Erklärung für diese Entwicklung sieht Soziologe und Generationenforscher François Höpflinger in den Krisen der letzten Jahre. So hätten die Jungen ganz besonders unter der Pandemie gelitten. Dazu überschattet der Klimawandel ihre Zukunft. Und: «Krisen treiben Generationen grundsätzlich auseinander. So hat man die grössten Differenzen lange Zeit zwischen Kriegs- und Nachkriegsgeneration festgestellt.»

2. Menschen sind zufriedener – aber nicht die Jungen

Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zufriedenheit in der Bevölkerung gestiegen. Fast neun von zehn Befragten geben an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Allerdings gibt es grosse Unterschiede zwischen den Generationen: Von den älteren Befragten (über 55 Jahre) ist fast die Hälfte «sehr zufrieden». Bei den Befragten zwischen 18 und 25 Jahren ist es nur noch jede Fünfte.

Damit sind die Jungen im Lauf der letzten Jahre deutlich unzufriedener geworden: 2020 bezeichnete sich noch jeder Dritte aus der «Generation Z» als sehr zufrieden.

Aus Sicht der Jungen ist das Generationenversprechen nicht mehr gültig.
Autor: Till Grünewald Leiter Generationenhaus Bern

Grünewald erklärt diese wachsende Unzufriedenheit unter anderem damit, dass das Generationenversprechen aus Sicht der Jungen gebrochen wurde: «Es besagt, dass es mir selbst besser gehen wird als meinen Eltern. Und meinen Kindern wiederum besser als mir. Aus Sicht der Jungen ist das nicht mehr gültig. Das ist ein Paradigmenwechsel.»

Eine Rolle spielen auch unterschiedliche Definitionen von Lebensqualität. Bei den älteren Menschen stehe der materielle Wohlstand im Vordergrund, sagt Generationenforscher Höpflinger: «Bei den Jungen gelten andere Massstäbe. Soziale Beziehungen etwa werden höher gewichtet.»

3. Enkelhüten: Bitte entlöhnen!

Der Generationenbarometer hat dieses Jahr auch den Enkel-Hütedienst ausführlich thematisiert. Fazit: Eine klare Mehrheit der Befragten (65 Prozent) findet, dass der Enkel-Hütedienst nicht gratis sein, sondern von der öffentlichen Hand vergütet werden sollte.

Die Debatte um ehrenamtliche Arbeit ist lanciert, um ihren Wert für die Gesellschaft.
Autor: Till Grünewald Leiter Generationenhaus Bern

Als Vergütung am häufigsten (33 Prozent) genannt werden Betreuungsgutschriften für die AHV. Das sind Beiträge, welche dem rentenbildenden Einkommen angerechnet werden. 19 Prozent der Befragten nennen Steuererleichterungen als Vergütung für den Enkel-Hütedienst und 13 Prozent finanzielle Beiträge durch die öffentliche Hand.

Enkel-Hütedienst: Zwischen Pflicht und Entlöhnung

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Eine ältere Frau zeigt einem Buben ein Buch.
Legende: Enkel-Hütedienst: Freude und Pflicht? Colourbox

Der Enkel-Hütedienst spielt in der Schweiz eine grosse Rolle in der kostenlosen Kinderbetreuung. Gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) wird ein Drittel der Kinder im Alter von null bis zwölf Jahren regelmässig von den Grosseltern betreut. Die Erkenntnisse aus dem Generationenbarometer:

  • 40 Prozent der Grosseltern sehen ihre Enkelkinder mindestens einmal pro Woche .
  • Übernehmen Grosseltern auch Betreuungsleistungen, tun sie das meist aus intrinsischen Gründen : Die meisten befragten Grosseltern hüten ihre Enkelkinder, um die Beziehung zum Enkelkind zu stärken oder weil es eine Bereicherung ist.
  • Grosseltern, die ihre Enkel nicht oder wenig betreuen, tun dies überwiegend wegen der Umstände . Etwa, wenn die Enkelkinder weit weg wohnen.
  • Die Betreuung der Enkel wird aber auch als eine Art moralische Pflicht wahrgenommen: In allen Altersgruppen findet eine Mehrheit, dass Grosseltern ihre Enkelkinder hüten sollten.
  • Zusätzlich stellt der Generationenbarometer einen Gender-Gap fest: Vor allem Männer haben die Einstellung, dass die Betreuungsleistung von Grosseltern gratis erbracht werden sollte. Dies, obwohl es häufiger die Grossmütter sind, welche Enkelkinder betreuen. Das zeigte unter anderem eine Erhebung des Bundesamts für Statistik 2018.

Für Grünewald vom Generationenhaus ist dies ein Fingerzeig auf anstehende gesellschaftspolitische Diskussionen: «Die Debatte um ehrenamtliche Arbeit ist lanciert, um ihren Wert für die Gesellschaft. Und darüber, was da geleistet wird oder dass es vor allem von Frauen geleistet wird.»

Radio SRF1, Aktuell, 1.2.2023, 5:40 Uhr

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