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Hochzeitstorten-Boom Vom Mandelkuchen im Mittelalter bis zum essbaren Hochzeitskleid

Wer Hochzeitstorten produziert, hat ab Mai viel zu tun. Für Heiratswillige ist sie die Torte des Lebens, egal ob schräg oder schlicht.

Kaum ein festlicher Moment ist so berührend, wie das gemeinsame Anschneiden der Hochzeitstorte. Für viele Paare ist dieser Moment ein Symbol für Glück und Liebe. Während Hochzeitstorten heute regelrechte Kunstwerke sind und als mehrstöckige Tortenträume das Hochzeitsbuffet zieren, wurde im alten Rom ein Mandelkuchen über dem Brautpaar zerbröselt – als Glücksbringer.

Die Cakedesignerin Eliane Rohr weiss, wie die kreativere Form von Hochzeitstorten entstanden ist. In England zum Beispiel stapelte man kleine Gebäcke zu einem Turm. Das Paar sollte sich darüber küssen – ohne ihn umzustossen. Gelang dies, versprach man sich eine glückliche und wohlhabende Ehe.

Ursprung der gestapelten Hochzeitstorten

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Turm der St. Bride's Church, der aussieht wie eine gestapelte Torte.
Legende: Turm der St. Bride's Churche in London. depositphotos.com/phil_bird

1666 brannte in der englischen Hauptstadt der Stadtteil London City samt St. Bride’s Church nieder. Auf diese Kirche, die wieder aufgebaut wurde, gehe der Brauch der gestapelten Torten zurück, sagt die Cakedesignerin Eliane Rohr.

Die Kirche spielt auch in der Überlieferung eine Rolle. Ein Bäcker hat sich in die Tochter seines Chefs und Bäckermeister verliebt. Er hielt um ihre Hand an.

An der Hochzeit wollte er der künftigen Gattin und dem Schwiegervater imponieren und etwas Spezielles machen. Der Turm der neu aufgebauten Kirche hat ihn für die Hochzeitstorte inspiriert. Der Turm besteht aus fünf übereinander stehenden Achtecken und sieht so aus, wie wir uns die gestapelten Torten vorstellen.

Die klassische Hochzeitstorte in England ist ein Fruit Cake. Dass diese weiss ist, kam später hinzu, weil raffinierter Zucker in England sehr teuer war. Hochzeitstorten seien schon immer ein Statussymbol für Wohlstand und Reichtum gewesen, erklärt Eliane Rohr.

Diese Tradition gilt als direkter Vorläufer der mehrstöckigen Hochzeitstorten, die später die Feste prägten. Schon früh wollte man Backwerk als Symbol inszenieren.

Die Ansprüche an eine Hochzeitstorte hätten sich in den letzten Jahren sehr stark verändert, sagt Eliane Rohr. Der Grund seien Pinterest, Instagram und Co. Die Leute posten ihre Torten und wollen dafür Bewunderung.

Wieder weniger Bling-Bling

Was das Äussere betrifft, gebe es einen Trend zurück zu klassischen Formen, sagt Rohr. «Retro-Dressiertechniken, die man in den 1950er- und 1960er-Jahren angewendet hat, leben wieder auf.» Das findet sie toll: «Das ist Handwerk pur.» Weniger Bling-Bling, weniger Kitsch, sagt die Cakedesignerin. Eine Hochzeitstorte müsse aber immer noch dreistöckig sein. Das sei der Wunsch der meisten Hochzeitspaare.

Unter den Cakedesignern ist das Kreieren von Hochzeitstorten klar die Königsdisziplin, sagt Eliane Rohr. «Bei Hochzeitstorten gibt es keine zweite Chance». Schiefgehen könne immer etwas, aber sie habe zum Glück ein tolles Team im Rücken. Zusammen seien sie in der Lage auch ein Missgeschick zu «wuppen». So, dass das Brautpaar nichts davon mitbekommt.

Ob ausgefallen, klassisch, romantisch oder minimalistisch – die Dekoration einer Hochzeitstorte spiegelt immer auch die Persönlichkeit des Brautpaares wider. Geschichten oder Erinnerungen sind auf einer Torte vereint.

Die verrückteste Hochzeitstorte, die Eliane Rohr je gemacht hat, sei eine gewesen, die kopfüber präsentiert wurde. Nicht nur die Produktion, auch die Auslieferung der Torte sei abenteuerlich gewesen. Auf dem Weg sei ein heftiges Gewitter mit Hagel aufgekommen. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit haben die silbernen Zuckerperlen auf der Fahrt ihren Glanz verloren. Alle mussten mit der Pinzette ersetzt werden. Davon erfahren habe das Brautpaar erst ein Jahr später bei einer zufälligen Begegnung, sagt die Tortenfachfrau.

Ein Kunstwerk hat seinen Preis

2012 hat sich Eliane Rohr in Suhr als «Törtchenfee» selbständig gemacht. Mit unzähligen Torten haben sie und ihr Team Hochzeitspaare schon glücklich gemacht. Oft realisieren die Leute nicht, was für ein Aufwand in einer Torte steckt. Insbesondere bei den Hochzeitstorten gebe es eine grosse Diskrepanz zwischen dem, was man gerne hätte und dem, was man bereit ist, dafür auszugeben. Für eine Hochzeitstorte müsse man von 18 Franken aufwärts pro Person rechnen.

An einer einzigen Rose allein arbeitet Eliane Rohr dreiviertel Stunden. Eine Hochzeitstorte sei zwar ein vergängliches Produkt – dennoch habe der Aufwand den gleichen Wert wie die Stunde eines Handwerksbetriebs. In den Köpfen der Menschen sei das noch nicht richtig verankert.

Radio SRF 1, 20.5.2025, 10:00 Uhr

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