«Schreib bloss keine Fake News, ich weiss wo du wohnst» - mit diesem Satz verabschiedete sich ein Mann von mir in einem Wald in West Virginia.
Unangenehm ist eine solche Drohung allemal für eine Journalistin. Noch unangenehmer ist sie, wenn sie aus dem Mund eines schwer bewaffneten Milizionärs kommt. Ich hatte den ganzen Tag «embedded» bei einem Übungs-Manöver verschiedener US-Milizen verbracht.
Mit dem Kommandanten Christian Yingling hatte ich nach den rassistischen Demonstrationen und den Gegendemonstrationen in Charlottesville im Sommer 2017 Kontakt aufgenommen. Er kommandierte die dort anwesenden, mit halbautomatischen Sturmgewehren bewaffneten Milizen, deren Bilder um die Welt gingen.
Es war ihm wichtig, sich im Nachhinein von den Rassisten zu distanzieren und lud mich deshalb zu dem Manöver ein, damit ich einen realistischen Eindruck der Milizen erhalte. Christian war den ganzen Tag enorm offen und überaus freundlich. Nur am Ende äusserte er - lachend - diese ominöse Drohung. Ich war so verblüfft, dass ich kein Wort heraus brachte. Das im Land der grossen Freiheit – der Pressefreiheit?
Ich war schockiert, zumal mir Christian den ganzen Nachmittag erzählt hatte, er und seine Truppen würden die US-Verfassung und deren Grundrechte beschützen. Ich beschloss die Drohung ganz einfach zu ignorieren. Man darf sich nicht einschüchtern lassen, sagte ich mir. Und natürlich wusste ich auch, dass ich keine Fake News schreibe, respektive die Aussagen der Milizen nicht verdrehen würde.