Wahrscheinlich haben Sie auch schon zu den Sommerhits von Nicolas Herzig getanzt und den Gesang und die Texte von Andreas Flückiger haben Sie bestimmt auch schon gehört. Bekannt ist Herzig unter dem Namen Loco Escrito und Flückiger steht als Endo Anaconda auf der Bühne.
Laut SRF-Musikredaktor Dano Tamásy gebe es zwei Hauptgründe, weshalb Musik- und Literaturschaffende einen Künstlernamen wählen. Sie wollen ihr Privatleben vom Leben in der Öffentlichkeit abgrenzen und ihre Karrierechancen steigern. Doch wie kamen bekannte Künstlerinnen zu ihren Pseudonymen?
Reto Borer alias Bo Katzman
Ein Kollege, der in einer WG auf einem Bauernhof lebte, schenkte ihm eines Tages ein Katzenbaby – eines der Jungen seiner Hofkatze. Reto Borer verliebte sich in das kleine pelzige Tier. Auf der Schulter habe er sein «Büsi» überall hin mitgenommen, auf dem Töffli, zum Einkaufen aber auch zu seinen Auftritten als Volkssänger in Jugendclubs und Pfarreien.
Während den Konzerten habe er das «Büsi» dann manchmal ins Publikum gegeben. Eines Tages schrieb ein Lokalblatt eine Reminiszenz über einen Auftritt und betitelte diese mit: «Der Mann mit der Katze».
Ich hiess Reto Borer. Mit diesem biederen Namen kannst du kein Popstar werden.
«Mein Name Reto Borer hatte so viel Glamour wie Hans-Ueli Rüdisüli», erinnert sich der Musiker. «Mit diesem biederen Namen kannst du kein Popstar werden». Er habe lange nach einem Namen gesucht, der Exzentrik und Freiheit ausgestrahlt hätte. Der Zeitungsartikel sei dann die Initialzündung gewesen. Der Mann mit der Katze, ein Symbol für die Ungebundenheit. Das gefiel ihm. Und da seine Freunde ihm schon lange Bo riefen, war auch die Frage nach dem Vornamen geklärt.
Ursula Bellwald alias Sina
Ursula habe ihr schon als Kind nie wirklich gefallen. Als sie nach einem Festival in jungen Jahren einen Vertrag mit einem Management unterschreiben durfte, sei dies die Chance für einen Namenswechsel gewesen, erinnert sich Sina.
Ausserhalb des Wallis reagiere ich gar nicht mehr auf Ursula.
Aus Ursula wurde Ursina, wurde Sina. Sina heisse Rose, Kraft und Sieg. Zum Beginn ihrer Karriere hatte Sina auch noch einen «Künstler-Nachnamen». «Ich trat auf als Sina Campell, die von Gampel».
Ihren Namenswechsel habe sie keine Sekunde bereut. Ihre Familie und Freunde aus der Kindheit würden sie noch heute Ursula nennen, aber alle anderen Menschen, die weit aus grössere Gruppe, nur Sina. «Ausserhalb des Wallis reagiere ich gar nicht mehr auf Ursula, weil ich sicher bin, dass ich nicht gemeint bin.»
Marc Bachofen alias Marc Sway
«Sobald es Musik gibt, bewege ich mich», erzählt Marc Sway. Als er das erste Mal in einem Studio vor dem Mikrofon gestanden habe, sei es ihm nie gelungen, still zu stehen. Infolgedessen habe der Produzent gerufen: «Marc, stop to sway!», «Mr. Sway». Sway ist Englisch und bedeutet hin- und her wanken – und sein Pseudonym war geboren.
Erst Jahre später habe er realisiert, dass er eigentlich gar keinen Künstlernamen gebraucht hätte. Bachofen, wie Sway bürgerlich heisst, sei nämlich eigentlich der coolste Namen, den es gebe. Eine Kollegin aus Deutschland wies ihn darauf hin, dass sein Name die zwei grössten Komponisten aller Zeiten enthalte – nämlich Beethoven und Bach. Zusammen ergebe das Bachofen. Rückblickend meint Sway: «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht lange nach einem Pseudonym gesucht. Manchmal ist das coolste am Nächsten, aber man sieht es nicht.»
Hans-Rudolf Lehmann alias Lukas Hartmann
«Ich wollte ausprobieren wie es ist, wenn ich mich anders nenne», erzählt Schriftsteller Lukas Hartmann. Er war damals in seinen Zwanzigern. Erfolglos habe er versucht, bei einem Verlag unterzukommen und dachte sich, wahrscheinlich sei sein bürgerlicher Name zu langweilig. «Es dünkte mich aber auch interessant meine private Existenz zu schützen.»
Wieso er genau Lukas Hartmann wählte, wisse er gar nicht mehr genau. Das seien wohl unbewusste Impulse gewesen. Er sei mit seinem bürgerlichen Namen nicht zufrieden gewesen, habe mit sich selbst gehadert. Der Namenswechsel sei also auch ein Aufbruch zu neuen Ufern gewesen. Mittlerweile habe er aber wieder ein gutes Verhältnis zu seinem bürgerlichen Namen. Seine Ehefrau, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, sage ihm übrigens meistens den schönen berndeutschen Namen «Hans-Ruedi». «Es kommt aber auch vor, dass sie mir Lukas sagt, je nach dem.»
Der Künstlername ist auch ein Schutz.
Heute stehen in seinem Pass beide Namen. Im familiären Kreis und bei Freunden sei er Hans-Rudolf, in weiteren Kreisen sei er der Schriftsteller Lukas Hartmann und auch in dieser Rolle. Das Pseudonym habe sich gelohnt, es sei auch wie ein Schutz. «Wenn ich im Zug als Lukas Hartmann angesprochen werde, aber keine Lust auf ein Gespräch habe, sage ich, ich heisse Lehmann.»
DJ Bobo alias René Baumann
«In der Familie nennen Sie mich René». Auf der Post sage man ihm «Herr Baumann – in der Schweiz weiss man schon, wie der richtig heisst», erzählt René Baumann, wie DJ Bobo mit bürgerlichem Namen heisst.
Bobo würde er sich heute sicher nicht mehr nennen. «Kein vernünftiger Künstler nennt sich Bobo. Das war keine weise Entscheidung», erklärte René Baumann 2017 auf Radio SRF 1. Doch wie kam es überhaupt dazu?
Kein vernünftiger Künstler nennt sich Bobo. Das war keine weise Entscheidung.
Der Name stammt aus seiner Breakdance- und Graffiti-Zeit. Der junge René wählte Bobo als sein «Tag», das ist die geheime Unterschrift, die Graffiti-Künstler unter ihre Werke sprayen. Die Inspiration zu diesem Namen fand er in der Comic-Figur «Bobo, der Ausbrecherkönig». Nach einer Weile nannten ihn seine Freunde alle nur noch Bobo. Er malte den Schriftzug auf seine Tanzschuhe und als er dann als DJ begann, sei der Fall eigentlich schon klar gewesen.