Ab Juli bedruckt Aldi Suisse einzelne verarbeitete Eigenmarken-Produkte mit der Nährwertkennzeichnung Nutri-Score. Coop und Migros haben angekündigt, dasselbe ab August zu tun.
In der Medienmittelung vom 15. Juni 2020 heisst es: «Aldi Suisse löst damit sein Aktionsversprechen zur Förderung einer ausgewogeneren Ernährung ein.» Neben der Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten liegt dem Grossverteiler auch die Tatsache am Herzen, Nutri-Score als erster Schweizer Detailhändler einzuführen.
Solange nur einzelne Grossverteiler und Lebensmittelhersteller mitmachen, bleibt der Nutri-Score ein Marketinginstrument.
Nutri-Score ist eine fünfstufige Lebensmittel-Ampel. Sie zeigt an, ob die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe gesundheitlich eher günstig oder eher ungünsig ist. Grün soll signalisieren, dass wir zugreifen können. Von rot sollen wir eher die Finger lassen. Doch so einfach ist das nicht. Man könne den Einkaufskorb nur mit «grünen» Produkten füllen und doch ungesund essen, sagt Ernährungsberaterin Beatrice Conrad. Sie sieht folgende Vor- und Nachteile der Lebensmittel-Ampel.
Vorteile von Nutri-Score
- Einfach: Der Nutri-Score ist verständlicher als die heutige Nährwertdeklaration.
- Ausgewogen: Der Algorithmus, der die Farbe der Ampel für ein Produkt berechnet, macht – mit ein paar Ausnahmen – Sinn.
- Nachhaltigkeit: Eine Lebensmittel-Ampel könnte Lebensmittelhersteller langfristig dazu animieren, gesündere Produkte zu produzieren.
- Erfahrungen: Es gibt bereits positive Erfahrungen aus anderen Ländern.
Nachteile von Nutri-Score
- Zu einfach: Eine grüne Farbe sagt nicht, dass die Tiefkühlpizza gesund ist, sondern dass sie verglichen mit anderen Tiefkühlpizzen weniger ungesund ist. Dies ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich.
- Kein schwarz-weiss: Die Ampel fördert schwarz-weiss-, beziehungsweise grün-rot-Denken. So einfach ist gesund essen aber nicht.
- Marketinginstrument: Solange nicht alle mitmachen, bleibe die Lebensmittel-Ampel ein Marketinginstrument. Es ist möglich, dass Hersteller zusätzliche «grüne» Produkte produzieren, anstatt die «roten» «grüner» werden zu lassen. Es braucht nicht mehr Fertigprodukte, es braucht bessere.
- Kopf-betont: Die Lebensmittel-Ampel könnte den Trend zu Kopf-betontem Essen und Einkaufen fördern. Darunter leidet die Lust. Stark kontrolliertes Essen fördert Krankheiten wie Orthorexie (Zwanghaft gesund essen).
- Tricky: Nicht jedes Essen ist für alle gut oder schlecht. Für Senioren, Mangelernährte oder Personen mit wenig Appetit wären «rote» Lebensmittel mit einem hohen Energiegehalt richtig.
Ampeln können Anhaltspunkte geben
Eine gesunde Ernährung ist eine vielseitige, abwechslungsreiche, bunte Ernährung. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Und individuell. Ampeln können Anhaltspunkte dafür sein. Gesund essen bedeute aber vor allem auch, die Bedürfnisse des Körpers wahrzunehmen, sagt Beatrice Conrad.