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Beichten als «Osterpflicht» Wie die Kirche mit Beichtzetteln die Gläubigen kontrollierte

Doch wer nicht beichten wollte? Findige Leute beichteten mehrfach. Sie verkauften die begehrten Bescheinigungen.

Katholikinnen und Katholiken sollen mindestens einmal im Jahr beichten. Heute ist das Befolgen dieser Pflicht jedem und jeder Gläubigen selbst überlassen. Aber bis ins 20. Jahrhundert kontrollierte die katholische Kirche das Einhalten der Beichtpflicht streng – mittels sogenannter «Beichtzettel», auch «Osterzettel» oder «Buesszedel» genannt.

So etwa im tief katholischen Freiburger Sensebezirk. Der Autor Alfons Jungo beschrieb es so:

[Nach der Beichte] het de Giischtlicha jedum als Quittung a sogenannta truckta Oschterbiichtzedel ggä. Dä Zedel isch na der Oschterzit ummi iigsammleta cho. Aso het a jeda Pfarer gwüsst, wär gooschteret het.

Wer beichtete, erhielt also vom Beichtvater zu Bestätigung einen Zettel, der nach Ostern wieder eingesammelt wurde. Wer keinen Beichtzettel vorweisen konnte, dem oder der konnten die heiligen Sakramente wie die Kommunion oder die letzte Ölung verweigert werden – gerade in früheren Jahrhunderten für viele eine schlimme Strafe.

Schwarzweissbild von der Kreuzigung Jesu. Dazu Text in Frakturschrift.
Legende: Beichtzettel von 1908 aus Kammern (Österreich), beidseitig Beichtzettel konnten aufwändig gestaltet sein – oft mit einem Votivbild auf der Vorderseite und einem erbaulichen Text oder einem Gebet auf der Rückseite. Die eigentliche Beichtbestätigung konnte teilweise dank einer Vorperforierung abgetrennt werden. brauchtumsseiten.de

Religiös-soziale Kontrolle

Um die Einhaltung der Beichtpflicht kontrollieren zu können, wurden im 16. Jahrhundert Beichtregister angelegt, in denen festgehalten wurde, wer die Beichte abgelegt hatte. Diese Register wurden bald von den Beichtzetteln abgelöst. Sie wurden in vielen katholischen Gebieten Europas verwendet – von Spanien über Frankreich und den deutschsprachigen Raum bis nach Böhmen und Polen.

Beichtpflicht seit 800 Jahren

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Die jährliche Beichtpflicht wurde im Jahr 1215 im 4. Laterankonzil festgelegt. Zu kontrollieren, dass die Gläubigen diese Pflicht auch wirklich erfüllten, wurde dreihundert Jahre später, in der Zeit der Reformation und der katholischen Gegenreformation, besonders wichtig: Die jährliche Beichte «bewies», dass die Gläubigen dem alten Glauben treu geblieben waren. Die Reformation lehnte die katholische Beichtpraxis nämlich ab.

Gerade in konfessionell umstrittenen Gebieten waren die Beichtzettel zentral: So wurden Reformierte im offiziell katholischen Böhmen des 17. Jahrhunderts verfolgt. Katholische Pfarrer machten ein Geschäft daraus und verkauften im grossen Stil Beichtzettel an Reformierte, die sich damit vor Verfolgung schützten. Dieser Handel war natürlich verboten und wurde hart bestraft – in einem Fall sogar mit dem Tod für alle Involvierten: den Verkäufer und die Käufer.

Flächendeckend eingeführt wurden die Beichtzettel vielerorts im 19. Jahrhundert. Der Grund: Anders als zuvor durften Gläubige nun Kirche und Pfarrer für die Beichte selber wählen. Der Beichtzettel bescheinigte dem Pfarrer des Wohnorts, dass man die Beichtpflicht erfüllt hatte.

Lateinischer Text «Signum Confessionis factae in Ecclesia B. V. M. Einsidlensis. Anno 1845.» und Marien-Votivbild
Legende: Quittungsteil eines Beichtzettels von 1845 aus Einsiedeln Bis Mitte 19. Jahrhundert waren die Beichtzettel auf Lateinisch verfasst. Schweizerisches Museum für Volkskunde, Basel

Handel mit Beichtzetteln

Dies brachte findige Leute auf eine Idee: Man könnte doch an mehreren Orten beichten gehen und die erhaltenen Beichtzettel an beichtfaule Mitmenschen verkaufen. Der Handel mit Beichtzetteln florierte europaweit in vielen katholischen Gebieten. Spöttisch dichtete der Protestant Wilhelm Busch 1864 über den Beichtzettel-Handel:

In allen Kirchen, nah und fern, Ging er zur Beichte oft und gern, Und gab der Beichte Zettel willig An andere Knaben – aber billig.

Wie es Anfang des 20. Jahrhunderts im Freiburger Sensebezirk zu und herging, schilderte Autor Peter Boschung: Einer habe ein paar Mal einen Beichtzettel nach Hause gebracht, «wa mu nit der Pfarrer ggä het. Er het drum denn iina bchennt [der mehrmals beichtete] u nai het er siner fürige Oeschterzedle dene vergremplet, wa mu eppis z suuffe zalt hii».

Das Aus im 20. Jahrhundert

Ende des 19. Jahrhunderts nahm die Bedeutung der Beichtzettel ab, vor allem in den Städten. In Pfarreien mit vielen Gläubigen war es wohl kaum mehr möglich, die Übersicht zu behalten. Ausserdem weichten sich die strengen sozialen und religiösen Normen langsam auf.

Ein eingerahmter Text: «Zeugniss der österlichen beicht, abgelegt in der katholischen Pfarrkirche in Liestal 1839.»
Legende: Quittungsteil eines Beichtzettels von 1839 aus Liestal Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Beichtzettel vermehrt auf Deutsch verfasst. Schweizerisches Museum für Volkskunde, Basel

In ländlichen, konservativen Regionen, besonders in Österreich, aber auch in sehr katholischen Gebieten der Schweiz, hielten sich die Beichtzettel bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts – zuletzt hauptsächlich noch zur religiös-sozialen Kontrolle der Schulkinder.

In einigen Regionen werden allerdings bis heute «Beichtbildchen» oder «Osterbildchen» abgegeben, die sich aus den Beichtzetteln entwickelt haben. Nicht mehr zur Kontrolle, sondern als Andenken – aber immer noch hauptsächlich in der Osterzeit.

Radio SRF 1, «Dini Mundart», 22.3.2024, 09:40 Uhr

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