Anfang der 1990er-Jahre boomten die Kevins: 1990 wurde in der Schweiz jeder 57. neugeborene Bub Kevin genannt, 1991 jeder 67. In Deutschland landete Kevin 1991 auf Platz 3 (Ex-BRD) respektive 5 (Ex-DDR) der beliebtesten Jungennamen und blieb bis 1994 in den Top 10.
Die Beliebtheit dieses Vornamens kann unschwer mit dem Film Kevin – Allein zu Haus in Verbindung gebracht werden, der 1990 in die Kinos kam. Ausserdem könnte der Schauspieler Kevin Costner mit seinem beliebten Film Der mit dem Wolf tanzt (1991) einen Einfluss gehabt haben.
Kevinismus
Ende der 2000er-Jahre, als die vielen Kevins im Jugendalter waren, musste der Name in deutschen Medien als Symbol herhalten: Unter dem Begriff Kevinismus , der ursprünglich von der Satirewebseite Uncyclopedia stammt, schrieben etwa die «Welt» oder der «Spiegel» über «klassische Unterschichtsnamen».
Sie behaupteten, finanziell schwächere Eltern in Deutschland würden ihren Kindern überdurchschnittlich häufig englische Namen wie Mandy, Peggy, Justin oder Kevin geben. Diese Kinder hätten darum mit Vorurteilen zu kämpfen – etwa in der Schule oder bei der Lehrstellensuche. Tatsächlich wies 2009 eine Studie darauf hin, dass Kinder mit solchen Namen als verhaltensauffälliger und bildungsferner eingestuft wurden.
Chantalismus
Als Pendant zum Kevinismus hat sich der Begriff Chantalismus für typische Unterschichtsnamen bei Mädchen etabliert. Chantal wird in der deutschen Popkultur als typischer Name für bildungsferne Mädchen verwendet, etwa im Film Fack ju Göhte .
In der Deutschschweiz ist Chantal viel weniger oder gar nicht negativ konnotiert – als französischer Name ist er hier bereits seit längerem etabliert. Auch der Name Kevin hat in der Deutschschweiz wohl weniger Schaden genommen als in Deutschland.
Keine statistische Grundlage
Das Problem mit den Begriffen Kevinismus und Chantalismus ist, dass es keine statistischen Hinweise gibt, dass Kevins, Mandys oder Peggys überdurchschnittlich oft aus Unterschichtsfamilien kommen, geschweige denn weniger intelligent seien als andere Kinder. Bereits 2012 bestätigte eine Leipziger Studie , dass viele Menschen mit diesen Vornamen ein Studium abgeschlossen haben.
Obwohl also vieles darauf hindeutet, dass Namen wie Kevin oder Chantal nicht auf die soziale Herkunft oder den finanziellen und Bildungshintergrund eines Menschen schliessen lassen, halten sich die Vorurteile hartnäckig – natürlich befeuert durch den Diskurs in den Sozialen Netzwerken und durch Medienberichte wie die oben erwähnten. Die Namensforscherin Damaris Nübling bezeichnete die Berichte über Kevinismus und Chantalismus sogar als «Hetzkampagne» .
Kein neues Phänomen
Dass gewisse Namen mit bestimmten Attributen in Verbindung gebracht werden, ist kein neues Phänomen: Alte abfällige Personenbezeichnungen wie Joggel , Chaschper , Baabe oder Triine sind alle von Vornamen abgeleitet (siehe Video oben).
Noch älter ist der Ausdruck Hinz und Kunz für 'jedermann, jeder hinterletzte', der seit dem 13. Jahrhundert belegt ist und seit dem 15. Jahrhundert negativ konnotiert ist. Abgeleitet ist er von den beiden im Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum sehr häufigen Vornamen Heinrich und Konrad, beziehungsweise von deren Koseformen Hinz und Kunz .
Namen verselbständigen sich also schon seit Jahrhunderten und können für ihre Trägerinnen und Träger zur Hypothek werden.