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Songs: Mundart oder Englisch? «Ich möchte mich nicht auf eine Sprache reduzieren lassen.»

Der Mundartmusik-Boom hat Folgen: Immer mehr singen auf Schweizerdeutsch statt auf Englisch. Viele Musikerinnen und Musiker wollen sich auch gar nicht mehr auf eine einzige Sprache festlegen.

Die Luzerner Band Hecht begeistert mit Mundartsongs wie «Charlotta» oder «Kawasaki» seit über zehn Jahren das Deutschschweizer Publikum. Was viele nicht wissen: Zu Beginn nannte sich Hecht «Seng» und sang auf Englisch. Der Durchbruch kam erst mit dem Wechsel auf Mundart Anfang der 2010er-Jahre.

Hecht-Frontmann Stefan Buck sagt, er habe zu jener Zeit gemerkt, dass er auf Englisch keine Songtexte schreiben könne, die dem Publikum wirklich nahe gehen. Darum habe er schliesslich angefangen, auf Schweizerdeutsch zu texten und zu singen.

Mundart ist direkter

Und prompt erreichte er sein Publikum: «Ich glaube, die Texte in meiner und ihrer Muttersprache gehen den Leuten viel direkter ans Herz.» Das sei aber gleichzeitig auch eine Schwierigkeit: «Die Leute hören viel genauer auf den Text. Man kann sich nicht, wie bei englischen Texten, hinter guter Musik verstecken.»

Ich fühle mich sehr wohl in der Mundartmusik.
Autor: Stefan Buck Frontsänger der Band Hecht

Wieder auf Englisch zu singen, kann sich Stefan Buck momentan nicht vorstellen: «Ich fühle mich zurzeit sehr wohl in der Mundartmusik. Aber ganz ausschliessen möchte ich es auch nicht.»

Schubladendenken in der Musikindustrie

Wie Stefan Buck hat auch Marc Sway mit englischen Songtexten angefangen. Schweizerdeutsch sei damals nicht in Frage gekommen: «Ich bekam einen Plattenvertrag in Deutschland – da war Mundart kein Thema.»

Die Leute haben mir immer gesagt: Du musst dich für eine Sprache entscheiden!
Autor: Marc Sway Sänger

Damals habe man in der Musikindustrie noch viel mehr in Sparten, in Schubladen gedacht als heute, erzählt Marc Sway. Mehrere Sprachen hätten nicht ins Konzept gepasst: «Die Leute haben mir immer gesagt: 'Du musst dich für eine Sprache entscheiden!'»

Aus Schubladen ausbrechen

Den Widerständen zum Trotz begann Marc Sway neben Englisch auch in seinen Muttersprachen Portugiesisch und Schweizerdeutsch zu texten und zu singen. Er war damit einer der Pioniere, die aus den Schubladen des Musikbusiness ausbrachen. Im Song «Severina» (2008) mischte er zum Beispiel Portugiesisch mit Englisch: «Das ist heute für einige Künstler selbstverständlich – vor 20 Jahren war es das aber wirklich noch nicht.»

Am Anfang waren es einzelne Lieder, die Marc Sway nicht auf Englisch sang – auf Schweizerdeutsch vor allem Duette, mit Fabienne Louves oder Sina. Aktuell macht Marc Sway hauptsächlich Mundartsongs – zusammen mit Bligg als «Blay». Das kann sich aber jederzeit wieder ändern: «Ich bin ein Kosmopolit und will mich nicht auf eine einzige Sprache festlegen lassen.»

Sprachen unterschiedlich einsetzen

Die Sprache seiner Lieder werde unter anderem durch den Sound bestimmt: «Ich beginne oft mit einer Melodie und dann sagt mir mein Gefühl, welche Sprache dazu passt. Es entsteht einfach, ohne dass ich mir viele Gedanken mache.»

Vor allem der Klang der Sprache sei entscheidend – der müsse passen, sagt Marc Sway.

Seltener Wechsel von Mundart zu Englisch

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Nur selten gehen Musikerinnen und Musiker den umgekehrten Weg, wechseln von Mundart auf Englisch. Einer, der diesen Wechsel vollzogen hat, ist der Bieler Nemo. Nach grossem Erfolg als Mundartrapper singt er seit 2020 unter dem neuen Künstlernamen «Not Nemo» auf Englisch.

Auf die Frage, warum er die Sprache gewechselt habe, sagt Nemo in Interviews lapidar, er probiere gerne Neues aus. Und er betont, dass Mundartmusik für ihn überhaupt nicht gestorben sei – nur im Moment auf Eis gelegt.

Es ist also gut möglich, dass Nemo denselben Weg geht wie Gölä, der in den 2000er-Jahren unter dem Namen Burn auf Englisch auftrat und – sicherlich auch mangels Erfolg – seit einigen Jahren wieder hauptsächlich auf Berndeutsch singt.

Mehrsprachigkeit ist jetzt normal

Erst vor kurzem mit Mundartmusik angefangen – nach über 15 Jahren im Geschäft – hat die Luzerner Musikerin Heidi Happy. Zuvor sang sie fast nur auf Englisch. Nun hat sie ein Album mit Songs auf Schweizerdeutsch, Hochdeutsch, Englisch und Französisch herausgebracht. «Nid für ewig», heisst es.

Eine wirkliche Abkehr vom Englischen scheint es also nicht zu sein. Eher eine sprachliche Diversifizierung. Früher wäre das schwierig gewesen. Heute ist es ziemlich normal in der Deutschschweizer Musikszene.

Radio SRF 1, «Dini Mundart», Freitag, 30.9.2022, 9:40 Uhr ; 

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