Gratulation, wenn Sie den Titel entziffern konnten! Vielleicht haben Sie in der Schulzeit selber Grüfnisch gesprochen. Oder sie haben es von anderen gehört. Grüfnisch ist wohl die in der Deutschschweiz am weitesten verbreitete Spiel- und Geheimsprache.
Im Grüfnischen werden die Vokale erweitert: «a» wird zu «anafa», «e» zu «enefe», «i» zu «inifi», «o» zu «onofo» und «u» zu «unufu». Dasselbe gilt für die Umlaute «ä», «ö» und «ü».
«Hallo, wie geits?» heisst auf Grüfnisch also «Hanafallonofo, winifie genefeits?»
Spielerisch und geheimniskrämerisch
Wo und wie Grüfnisch entstanden ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Es dürfte aber mindestens einige Jahrzehnte alt sein. Erste Hinweise darauf, dass Schüler Spiel- oder Geheimsprachen verwenden, gibt es aber schon aus dem 16. Jahrhundert. Der Basler Gelehrte Leonhard Thurneysser schrieb 1583 über eine Art der Sprachverfremdung, welche «die jungen knaben etwan reden».
Der Hauptzweck solcher Sprachen ist klar: von Nicht-Eingeweihten wie Lehrpersonen, Eltern oder anderen Kindern nicht verstanden zu werden. Aber auch der Umstand, innerhalb einer Gruppe etwas zu teilen, was andere nicht haben, ist für Kinder und Jugendliche attraktiv. Dasselbe gilt für Jugendslang-Ausdrücke wie «tschent» oder «cringe». Und natürlich macht es auch einfach Spass, kreativ und spielerisch mit der Sprache umzugehen.
Weltweit wird mit Sprache gespielt
Spielerische Veränderungen und verheimlichende Entstellungen gibt es in vielen Sprachen. Zum Teil funktionieren diese Spielsprachen nach ganz ähnlichen Regeln wie Grüfnisch. Oft werden Vokale oder Konsonanten erweitert, Silben werden verschoben oder vertauscht. Ein paar Beispiele:
Löffelsprache (Deutsch)
Vokalerweiterung: «a» wird zu «alewa», «e» zu «elewe», «i» zu «ilewi» usw.
«Guten Tag!» = «Gulewutelewen Talewag!»
B-Sprache (Deutsch)
Vokalerweiterung: «a» wird zu «aba», «e» zu «ebe», «i» zu «ibi» usw.
«Guten Tag!» = «Gubuteben Tabag!»
Rövarspråket (Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Isländisch)
Durch Astrid Lindgrens Buchreihe «Kalle Blomquist» bekannt geworden. Nach jedem Konsonant wird ein «o» eingeschoben und der Konsonant wiederholt.
«Guten Tag!» = «Gogutotenon Totagog!»
Verlan (Französisch
Die letzte Silbe oder auch nur der letzte Konsonant wird an den Wortanfang gestellt.
«femme» = «meuf(a)»
«louche» = «chelou»
«l'envers» = «verlan»
Pig Latin (Englisch)
Die erste Silbe (ohne Vokal) eines Worts wird ans Wortende versetzt und durch «-ay» ergänzt. Wenn die erste Silbe mit einem Vokal beginnt, wird nur «-way» an das Wort angehängt.
«The dog is running away» = «Ethay ogday isway unningray awayway.»
Cockney Rhyming Slang (Englisch)
Einzelne Wörter werden durch Wortpaare ersetzt, wobei sich das zweite Wort des Paares auf das ersetzte Wort reimen muss.
«stairs» = «apples and pears»
«money» = «bees and honey»
«noise» = «box (of toys)»
Spielsprachen bereichern die Umgangssprache
Über die Jugendsprache gelangen ab und zu Elemente aus Spiel- und Geheimsprachen in den allgemeinen Sprachgebrauch. So sind Ausdrücke aus dem Verlan oder dem Cockney Rhyming Slang heute Teil der französischen und englischen Umgangssprache.
Die Spielsprachen selbst werden aber vor allem von Kindern und Jugendlichen verwendet. Beginnt der «Ernst des Lebens», bleibt für spielerisch-kreative Sprache wohl nicht mehr viel Platz.