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Trunkenheits-Ausdrücke Wie wir den Alkoholrausch sprachlich verstecken

Für das Betrunken-Sein gibt es unzählige Mundart-Ausdrücke. Viele davon verharmlosen den Rausch. Aber ebenso viele Ausdrücke stellen die Trunkenheit krasser dar als sie eigentlich ist.

Seit Jahrtausenden konsumieren Menschen alkoholische Getränke. Noch heute wird man oft schräg angeschaut, wenn man an bestimmten sozialen Anlässen nicht trinkt.

Aber der übermässige Alkoholkonsum und der damit einhergehende Rausch ist ebenfalls schon seit Jahrtausenden verpönt – zumindest bei einem grossen Teil der Gesellschaft. Diese Ambivalenz zeigt sich auch bei den verschiedenen Dialektausdrücken für das Betrunken-Sein.

Den Rausch kaschieren

Auf der einen Seite gibt es viele sogenannt «verhüllende» Ausdrücke. Sie versuchen, die Trunkenheit zu kaschieren. Man sagt etwa, jemand sei «luschtig» oder «guet druf», habe «chli z tüüf i ds Glas gluegt» oder «eis über e Duurscht gha».

Solche Ausdrücke sind aus dem Bedürfnis entstanden, den Alkoholrausch herunterzuspielen und zu verharmlosen. Auch das heute als neutral aufgefasste Wort «betrunken» gehört zu den verhüllenden Ausdrücken. Denn wenn nur vom Trinken die Rede ist, wird vermieden zu sagen, dass es sich um alkoholische Getränke handelt.

Mit dem Rausch angeben

Auf der anderen Seite gibt es ebenso viele übertreibende Ausdrücke – solche, die den Alkoholrausch mit Wörtern umschreiben, die im wörtlichen Sinn noch heftiger sind als der Rausch selbst. Man kann sagen, jemand sei «vo Sinn» oder «dääne» (hochdeutsch: drüben). Diese Ausdrücke sind Anspielungen auf Bewusstlosigkeit (welche bei Betrunkenen ja nur selten eintritt).

Oder der Rausch wird als etwas Gewaltvolles umschrieben, als «Chlapf» (Knall, Ohrfeige) oder «Hammer». In dieser Logik kann jemand Betrunkenes auch als «düri» (kaputt), «gspalte» oder «z Hudus u z Fätzes» (zerfetzt) bezeichnet werden.

Auch Ältere mögen's heftig

Nun könnte man denken, dass die übertreibenden Trunkenheits-Ausdrücke eher von jungen Leuten verwendet werden – schliesslich geben Jugendliche gerne mal mit dem Alkoholrausch an. Und die älteren Leute schämen sich vielleicht eher, explizit über den Alkoholrausch zu sprechen und verwenden deswegen vielleicht eher verhüllende Trunkenheits-Ausdrücke.

Weit gefehlt! Der Autor dieses Artikels hat für seine Masterarbeit in Dialektologie nämlich jüngere und ältere Personen dazu befragt, welche Trunkenheits-Ausdrücke sie verwenden. Und siehe da: Sowohl bei den Jungen als auch bei den Älteren sind die übertreibenden Ausdrücke beliebter als die verhüllenden.

Warum das so ist, ist schwer zu sagen. Möglicherweise liegt es daran, dass es heute auch unter älteren Leuten nicht mehr so verpönt ist, über Alkoholexzesse zu sprechen wie früher. Vielleicht haben die älteren Befragten auch einfach die übertreibenden Ausdrücke aus ihrer Jugend beibehalten.

Radio SRF 1, «Dini Mundart», Freitag, 28.10.2022, 9:40 Uhr

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