Durch den tragischen Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt geriet die Polizei und ihre Arbeit ins Scheinwerferlicht. Auch auf Schweizer Strassen versammelten sich Menschen und forderten «Respekt».
Marcus Kradolfer, Direktor der Polizeischule Ostschweiz, erkennt bei den angehenden Polizisten in der Schweiz keinen Rassismus, wie er im Interview mit SRF erläutert. Zudem erklärt er, wie PolizistInnen auf die multikulturelle Gesellschaft vorbereitet werden.
SRF: Nehmen Sie bei der Polizei das tragische Ereignis in den USA, das George Floyd mit dem Leben bezahlen musste, zum Anlass, sich selber zu hinterfragen?
Marcus Kradolfer: Absolut. Das ist, leider, ein gutes Schulbeispiel wie man es eben nicht macht. Aber die ganze Frage rund um den Rassismus ist bereits Teil im Unterricht über die interkulturelle Kompetenz und in den Ethikstunden.
George Floyd ist, leider, ein gutes Schulbeispiel wie man es eben nicht macht.
Ich selber stelle aber in meinem Unterricht keinen Rassismus fest. Sollte sich ein Aspirant oder eine Aspirantin rassistisch äussern, würde ich auf dessen Kommandanten zugehen. Der müsste dann schauen, wie man mit dieser Person weiter verfahren möchte.
SRF: «Racial Profiling» – Personenkontrollen anhand der Hautfarbe oder Nationalität – wie konkret wird dieses Thema in der Polizeiausbildung behandelt?
Wir sagen dem «Ethnic Profiling» und es ist ein Ausbildungsmodul. Es wird in unserem Lehrmittel über interkulturelle Kompetenz behandelt. Darin sollen unsere Schülerinnen und Schüler erfahren, dass es Gründe braucht, Personenkontrollen durchzuführen.
Gründe dafür können zum Beispiel ein Verdacht oder eine Örtlichkeit sein, an der sich eine Person aufhält. In dieser Diskussion erlebe ich die Schüler als sehr daran interessiert, richtig zu handeln. Sie wollen genau wissen, was sie dürfen und was nicht.
SRF: Sie sagen, zum Polizisten, zur Polizistin sollte man berufen sein. Warum?
Der Polizeiberuf ist nicht ein Beruf wie jeder andere. Man ist mitten in der Gesellschaft, man sieht hinter die Kulissen und sieht dadurch viele schlimme Sachen.
In der Schule befinden sich die jungen Polizisten so quasi in einer ‹geschützten Werkstatt›. Die richtige Polizeiarbeit findet draussen statt.
Weiter kommt hinzu, man muss das Gesetz durchsetzen und wird oftmals zum Buhmann und das in einer sehr heterogenen und multikulturellen Gesellschaft.
Dieser Beruf braucht ein dickes Fell. Es ist sehr viel Sozial- und Interkulturelle Kompetenz gefragt. In der Schule befinden sich die jungen Polizisten so quasi in einer ‹geschützten Werksatt›. Die richtige Polizeiarbeit findet draussen statt
SRF: Das Durchschnittsalter in Ihrer Schule beträgt 24. Sind diese jungen Menschen bereits ausgerüstet dafür?
Nein, natürlich nicht. Das ist aber auch nicht der Anspruch, den wir hier an der Schule haben. Wir machen hier Rollenspiele mit Schauspielern, die richtige Polizeiarbeit findet draussen statt. Ich sage, nach der zweijährigen Ausbildung mit Theorie und Praktikum folgen noch fünf weitere Jahre in denen sie in den Beruf «hineinreifen» müssen.
Das Gespräch führte Beatrice Gmünder.