Beim Begriff «Punk» denken wohl viele an das London Ende der 70er oder an die Opernhauskrawalle in Zürich in den 80ern, aber wohl nicht an Indonesien mit der weltweit grössten muslimischen Bevölkerung. Im Inselstaat findet sich aber eine grosse und aktive Punkszene.
Die Basler Fotografin Eleni Kougionis war 2015 für eine Fotoreportage mehrere Wochen in der indonesischen Punkszene unterwegs und ist 2018 noch einmal dorthin zurückgekehrt, als sie die Schweizer Hardcore Punk Band «Heckler» auf ihrer Tour begleitet hat.
Sie sagt, in manchen Teilen von Indonesien gehört Punk zum Strassenbild. Niemand drehe sich um, wenn ein Mann mit einem Irokesen oder eine Frau mit einem tätowierten Gesicht vorbeigeht.
SRF: Wo haben Sie die Vielfalt und Lebendigkeit der Punkszene in Indonesien speziell erfahren?
Eleni Kougionis: Ich wusste vor meiner Reise nach Indonesien, wie gross die Szene ist. Dennoch war ich überrascht, als ich gesehen habe, wie viele Menschen ein Konzert besuchen. Sie kommen von überall her, reisen auf der Ladefläche eines Lasters durchs Land – für ein Punk-Konzert. Und dann das Aussehen der Menschen. Für eine Fotografin sind die Kleider, aber auch die Frisuren oder Tätowierungen enorm spannend.
Weshalb ist die Punkszene gerade in Indonesien so gross?
Die Szene war anfangs im Untergrund aktiv. Sie hat sich nach dem Sturz von Diktator Suharto 1998 zu einer breiteren Jugendbewegung entwickelt. Punk ist unter den Menschen, die ich bei meiner Reportage getroffen habe, nicht nur eine Lebenshaltung, sondern mit dem eigenen Überleben verbunden: Die Szene bietet ihnen die Möglichkeit, sich zu vernetzen.
Ich habe viele Kollektive von Menschen angetroffen, die gemeinsam wohnen und den Lebensunterhalt bestreiten. Hinzu kommen Strassenpunks, die umherziehen und zum Beispiel mit Singen oder Musizieren etwas Geld verdienen.
In Indonesien ist Armut weit verbreitet. Wie bestreiten diese Menschen ihren Lebensunterhalt?
Eine zentrale Rolle spielt die «Do it yourself»-Kultur. Die Kollektive stellen oft gemeinsam Dinge her, die sie dann verkaufen. Sie machen etwa Siebdruck und produzieren T-Shirts, nehmen Kassetten auf oder haben einen Tattoo Shop. Sie entwickelten dadurch Wege, ihr Leben selbst zu gestalten, unabhängig vom Staat.
Welche Rolle spielen die teils strengen Regeln der muslimischen Gesellschaft in dieser Subkultur?
Es hat manchmal etwas Widersprüchliches. So habe ich viele Punks getroffen, die oft und viel Alkohol trinken, aber gleichzeitig praktizierende Muslime sind, etwa in die Moschee gehen. Die grosse Mehrheit lehnt sich vor allem gegen einen radikalen Islam auf. Deswegen bekommen sie aber auch Repressionen zu spüren.
So habe ich erlebt, wie Konzerte von der Polizei abgebrochen wurden, oder wie ein Festival gestört wurde von bewaffneten radikalen Muslimen. Für die Punks gehört das fast zum Alltag. Aber ich habe da schon Angst bekommen.
Wie war es für Sie, sich in dieser Szene zu bewegen und Kontakte zu knüpfen?
Ich bin in unterschiedlichen Kollektiven untergekommen, wurde mit offenen Armen empfangen. Menschen haben mir Essen oder eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten. Diese Gastfreundschaft der Leute hat mich enorm beeindruckt.