«Das Dilemma von Mani Matter ist, dass das Publikum ihn primär als ‹Verslischmied› sieht, der lustige, nette Liedli schreibt», erklärt Matter-Biograf Wilfried Meichtry. Der Chansonnier selber sei ursprünglich mit dem Anspruch angetreten, die Leute zum Nachdenken anzuregen. Seine Botschaften seien aber stets im Applaus untergegangen. So fühlte sich Mani Matter anfangs der 70er-Jahre allzu sehr in die Unterhalter-Ecke gedrängt. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs steckte er in einer künstlerischen Krise, dachte sogar daran, ganz mit dem Singen aufzuhören.
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Im Rückblick gehören diese schwierigen Monate zu Matters kreativsten Zeiten: Es entstehen neue Lieder, die einen ganz anderen, viel ernsteren Chansonnier zeigen: «Wo mir als Buebe emal», «Nei säget, sölle mir» oder auch «Warum sit Dir so truurig ?». Diese Abkehr vom traditionellen Repertoire markiert einen Neuanfang im künstlerischen Leben von Mani Matter: Für 1973 war eine Tournee geplant, auf der er diese engagierten, gesellschaftskritischen Lieder singen wollte. Der Autounfall am 24.November 1972 verhinderte diese Image-Korrektur. Und der frühe Tod war auch der Grund, warum es von diesen letzten Liedern keine öffentlichen Ton-Aufnahmen mit Mani Matter gibt.
Unbekannte Lieder vertont
Für Radio SRF 1 hat der junge Chansonnier Lukas Gerber die Lieder nun vertont – nach den Vorgaben von Mani Matter. Und er hat auch Songs aus den Anfängen des berühmten Berners im Studio aufgezeichnet; Texte, die Mani Matter selber ebenfalls nie auf Platte produziert hatte. Dazu gehört auch sein allererstes Lied «Einisch nach eme grosse Gwitter», das er auf eine Musik von Georges Brassens schrieb, oder das melancholische Liebeslied von Heini, der sein Herz an eine unbekannte Passagierin im Tram verloren hatte.
Warum es von diesen Liedern keine öffentlichen Aufnahmen auf Platte gibt, weiss Wilfried Meichtry nicht genau: «Vielleicht hielt sie Mani Matter für weniger gelungen; vielleicht hatte er sich auch vorgenommen, sie noch einmal zu überarbeiten.» Doch auch dazu kam es im allzu kurzen Leben von Mani Matter nicht mehr.
«Was auffällt ist, dass Mani Matter keine Geschichten mehr in seinen Liedern erzählt, sondern unmittelbar berichtet, was ihn beschäftigt und wie er die Welt sieht. Er kritisiere die Saturiertheit der bürgerlichen Welt («Nei säget, sölle mir») oder räume ein, dass es vielleicht nötig sei, zuweilen einen Stacheldraht zu zerschneiden oder eine Mauer in die Luft zu sprengen. («Wo mir als Buebe emal») «Auch der Reim ist weg», betont Wilfried Meichtry. «Die Realität reimt sich nicht mehr für Mani Matter.»