Das Politestablishment rieb sich im November 1989 erstaunt die Augen. Es war ein Donnerschlag: Kurz nach dem Fall der Berliner Mauer stimmten 35,6 Prozent für eine Abschaffung der Schweizer Armee.
Die «Gruppe Schweiz ohne Armee» (GSoA) feierte damals ihren Erfolg. Sie hätten zwar keine heilige Kuh geschlachtet, aber ihr den Heiligenschein genommen, sagt der GSoA-Aktivist Jo Lang im Rückblick.
«Die Armee-Abschaffungsinitiative 1989 war eine Zäsur in der Geschichte der Armee», sagt Militärhistoriker Rudolf Jaun. Es sei eine Zeit der Aufbruchstimmung gewesen, nach dem Fall der Berliner Mauer. Die Armee sei in der Öffentlichkeit ein grosses Thema gewesen. Heute fänden diese Diskussionen vermehrt in Fachkreisen statt.
Brauchen wir die Armee heute noch?
Welche Auswirkungen hatte die Abstimmung von 1989 auf die Entwicklung der Armee? Welchen Zweck hat die Armee heute zu erfüllen? Im «Forum» diskutierten mit Hörerinnen und Hörern:
- Rudolf Jaun , Militärhistoriker
- Thomas Hurter , Nationalrat SVP, Präsident Sicherheitspolitische Kommission
- Jo Lang , Vorstandsmitglied GSoA
Armee zwischen Tradition und neuen Realitäten
In den letzten 25 Jahren hat sich die Welt drastisch verändert. Mit der Berliner Mauer fiel auch das Bild des «Feindes im Osten». Die Armee steht seither in einem Spannungsfeld zwischen Tradition und neuen Realitäten.
Die Truppengrösse wurde in den letzten Jahrzehnten schrittweise reduziert: von 600‘000 auf bald noch 100‘000 Mann. Auch die gesellschaftliche Bedeutung hat sich gewandelt. Früher war die Armee wichtig für die berufliche Karriere. Heute hingegen sehen es viele Unternehmer nicht mehr gerne, wenn ihre Kaderleute wegen des Militärs abwesend sind.
Fünf Milliarden Franken für die Armee
Allerdings soll die Armee wieder mehr Geld bekommen. Nach Jahrzehnten des Sparens hat das Parlament im letzten Jahr beschlossen, dass das Budget der Armee auf fünf Milliarden Franken erhöht werden soll. Die Armee schütze die Schweizer Bevölkerung und die Infrastruktur, sagt SVP-Nationalrat Thomas Hurter. Ihre Aufgabe sei heute dieselbe wie früher.
Die Zustimmung zur Armee ist momentan sehr hoch. In einer Umfrage der ETH Zürich aus dem Januar 2014 gaben 80 Prozent der Befragten an, sie seien für die Armee. Eine ähnlich hohe Zustimmung wurde auch anfangs der 1980er Jahre festgestellt.
Krisenherde im Ausland haben einen Einfluss auf die Befindlichkeit der Bevölkerung. Das zeigt auch die Online-Diskussion. Markus Wüthrich aus Basel zum Beispiel schreibt: «Wenn man die politische Lage im Ausland betrachtet, ist eine Schweizer Armee nötig.»
Wenn man die politische Lage im Ausland betrachtet, ist eine Schweizer Armee nötig.
Auch die Rolle der Armee bei Katastrophen wird in Online-Kommentaren betont. «Es gibt immer wieder Situationen, bei denen nur das Militär in der Lage ist, genügend Mensch und Material aufzubieten», schreibt Sascha Stalder aus Oberdiessbach (BE).
Zivile Einsatztruppen statt Armee
GSoA-Vorstandsmitglied Jo Lang hingegen ist überzeugt: «Die Schweiz könnte auf eine Armee verzichten.» Den traditionellen Feind gebe es nicht mehr, und der Katastrophenschutz sei eine zivile Aufgabe.
Ähnlich argumentiert Andreas Signer aus Wolfhalden (AR): «Unsere Armee muss ersetzt werden durch zivile Eingreiftruppen, die für die modernen Bedrohungen perfekt ausgebildet sind.» Als moderne Bedrohungen nennt er etwa die Internetkriminalität, die Integration und den Radikalismus.
Unsere Armee muss ersetzt werden durch zivile Eingreiftruppen, die für die modernen Bedrohungen perfekt ausgebildet sind.
«Ich erachte die Stärkung der Blaulichtorganisationen, insbesondere der Polizeikräfte und Grenzwache, für nötig. Wir brauchen keine Panzer, Artillerie oder Kampfflugzeuge,wir brauchen Kräfte, die die öffentliche Ordnung sicherstellen», schreibt Kurt Vollmer aus Zürich.