Ihr Beruf habe etwas neurotisch-hysterisches sagt die international bekannte Clown-Komödiantin Gardi Hutter. Egal was auf der Tour vor der Vorstellung geschehe – punkt 20 Uhr stehe sie auf der Bühne. Morgen in Brasilien und übermorgen vielleicht in Deutschland oder irgendwo in der Schweiz. Gardi Hutter ist mit ihren Programmen international unterwegs und kennt Stress. Als viel beschäftigte Künstlerin und Mutter von zwei Kindern musste die heute 62-Jährige schon früh lernen, mit Belastungen umzugehen.
Ohne das Wissen, dass ich innerlich herunterfahren kann, hätte ich ganz viele Drogen nehmen müssen.
Gardi Hutter hat bereits in der Kindheit erfahren, was ein hoher Stresspegel ist. Ihre Eltern hatten ein Kleidergeschäft, das auch über Mittag geöffnet war.
Für das Mittagessen blieben meist nicht mehr als zehn Minuten Zeit und dann hat schon wieder jemand geklingelt.
Arbeitstage von 16 Stunden bedeuteten für die Eltern von Gardi Hutter Dauerstress und diesen hätte sie wohl übernommen, meint die Künstlerin. Das merke sie immer wieder, auch bei alltäglichen Verrichtungen, wie Kochen oder Gemüse rüsten. Plötzlich merke sie, dass sie verspannt sei und nicht mehr richtig atme. Mehrmals täglich müsse sie sich sagen: «Gardi, abefahre!»
Von 150 auf 50
Den Alltag entschleunigen will gelernt sein. Das weiss auch Gardi Hutter. Sie hat verschiedene Meditationskurse besucht, um das bewusste Herunterfahren zu lernen. «Wenn man während einer Woche stundenlang meditiert hat, kehrt eine Ruhe in Körper und Geist ein, die bezaubernd ist», meint sie.
Schwieriger Übergang
Besonders intensiv seien die Tourneezeiten. Sie stehe gerne auf der Bühne, aber die vielen Begegnungen und Gespräche auf einer Tour, könne sie oft gar nicht verarbeiten, meint die Künstlerin, die seit 30 Jahren im Tessin lebt. Zu Hause erwarte sie dann die totale Stille und dieser Übergang bereite ihr oft Mühe, bis sie wieder entschleunigt sei und der nächste Stresstest wartet.
Als Künstlerin ist man auch Unternehmerin
Zu Hause führt Gardi Hutter Listen mit den Dingen, die sie zu erledigen hat. Manchmal seien diese fünf Seiten lang. Es sei vor allem die Büroarbeit und das Gefühl nie «à jour» zu sein, das sie stresse.
«Gardi, abefahre»
Am besten kann Gardi Hutter in der Natur entschleunigen. Zu Fuss im Wald oder mit dem Schiff auf dem See. Erst kürzlich habe sie zusammen mit Freunden ein Boot gekauft. Sie geniesse es, damit hinauszufahren und Mitten auf dem See den Motor abzustellen. Das Schaukeln des Bootes versetze sie in eine Art Hypnose. Zudem habe sie zwei Schildkröten, die ihr vormachen würden, wie man bereits vor über 200 Millionen Jahren stressfrei gelebt habe. Die Tiere essen und bewegen sich im Zeitlupentempo und in der kalten Jahreszeit begeben sie sich in den Winterschlaf. «Das würde mir auch gefallen», meint die Clownfrau und lacht entspannt.