Unser Planet ist voller Energie: 99 Prozent der Erdmasse sind über 1'000 Grad heiss. Die Geothermie - oder Erdwärme - bietet eine fast unerschöpfliche Energiequelle, die nur richtig «angezapft» werden muss. Bei der Nutzung von Erdwärme wird kein Rohstoff abgebaut, daher gilt sie als umweltfreundlich. Die Bohrkosten sind jedoch bis heute sehr hoch.
Vorreiter Riehen (BS)
In der Schweiz existieren mehrere Geothermie-Projekte, die sich die Erdwärme zu Nutzen machen wollen: 1994 wurde in Riehen (BS) das erste geothermische Heizkraftwerk der Schweiz in Betrieb genommen. Heute werden damit rund 300 Haushalte mit Fernwärme versorgt. Weitere Geothermie-Kraftwerke sind am Genfersee, in Lavey-les-Bains, in Brig-Glis und in St.Gallen geplant.
Die Erdwärme kann auf verschiedene Arten genutzt werden: Oberflächennahe Erdwärmesonden für einzelne Wohn- und Geschäftshäuser, mitteltiefe Erdwärmesonden für lokale Wärmenetze und die Bohrung in grosse Tiefen (hydrothermale Geothermie). Stimmen die geologischen Rahmenbedingungen (meist in Gebieten vulkanischer Aktivität), kann Heisswasser, oder Dampf in einigen 100 bis in mehreren 1'000 Metern Tiefe erschlossen werden.
Logistische Meisterleistung in St.Gallen
Aktuell wird auch in St.Gallen im grossen Stil nach Erdwärme gebohrt. Nach mehreren Jahren Abklärungen und Vorbereitungen bohren sich die Ostschweizer seit Anfang März täglich 50 Meter tiefer ins Erdinnere.
In einer Tiefe von 4000 bis 5000 Metern erwarten die Geologen eine Gesteinsschicht mit 140 Grad heissem Wasser. Gewissheit bringen erst die nächsten Wochen. 100 Tage wird es etwa dauern, bis die Tiefe von 4000 Metern erreicht wird.
Die Installation des 60 Meter hohen Bohrturmes aus Deutschland war ein Event. Es gibt nur drei dieser Megabohrtürmen in Europa. Der Transport des Bohrturms dauerte sechs Wochen. An die 100 Lastwagen transportierten die Einzelteile ins Sittertobel.
Sind die Tiefbohrungen erfolgreich, beginnt der Bau des Geothermie-Heizkraftwerkes, welches Teile der Stadt St.Gallen mit Fernwärme versorgen soll.
Geothermie nicht ohne Risiko
2006 hatte Basel Schlagzeilen geschrieben, weil Geothermiebohrungen wegen kleiner Erdbeben abgebrochen werden mussten. Ausgelöst wurden sie, weil undurchlässige Gesteinsschichten mit dem sogenannten Fracking aufgesprengt worden waren, um die Wasserdurchlässigkeit zu erhöhen.
Noch schlimmer traf es das südbadische Städtchen Staufen: Mit Erdwärme wollte man das Rathaus heizen, doch kurz nach den Bohrungen taten sich überall in der Stadt tiefe Risse auf (s.h. «Einstein» vom 23.12.2010).
In St. Gallen soll dies laut Experten nicht passieren, da hier bereits bestehende wasserführende Gesteinsschichten angebohrt werden. Trotzdem melden 6 extra in der Umgebung installierte Messstellen jede noch so kleine Erschütterung.
Die Zukunft liegt im Untergrund
Nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch weil die Erdoberfläche in urbanen Räumen immer knapper wird, wird die Energiegewinnung künftig vermehrt in den Untergrund verlagert. Darum wird es immer wichtiger, den geologischen Aufbau des Untergrundes zu kennen.
Das EU-Projekt «GeORG» entwickelte dazu ein 3-D-Modell des Rheingrabens. Mit ihm können Potenziale und Risiken von Bauten im Untergrund besser abgeschätzt werden.