Die Griechenland-Krise hat mehr mit der Schweiz zu tun als viele meinen: Tausende von Griechen transferieren ihr Geld in die Schweiz. Und auch andere Europäer flüchten wegen der Euro-Krise in den Schweizer Franken, der damit immer stärker wird. Für die Schweizer Exportindustrie und die Schweizer Detaillisten ist das sehr schmerzhaft. Das «Lädelisterben» in der Schweiz und die Griechenland-Krise haben also durchaus etwas miteinander zu tun.
International gehen die Gespräche derweil weiter. Auch nach einer erneuten Verhandlungsrunde gibt es noch keine Einigung zwischen der griechischen Regierung und den Geldgebern. Welche Reformen muss Griechenland erfüllen, damit es in den Genuss von weiteren Krediten kommt? Was würde ein Austritt Griechenlands aus dem Euro bedeuten? Die Meinungen gehen auseinander.
Wie schlimm ist die Lage in Griechenland wirklich?
Gewiss ist: Der Alltag der Griechen wird immer schwieriger. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch. Kinder wohnen bis weit ins Erwachsenenalter bei ihren Eltern. Immer mehr verlassen das Land.
«Die Lage in Griechenland ist dramatisch», sagt Massimo Agostinis, Wirtschaftsredaktor Radio SRF und Griechenlandkenner. Die hohe Verschuldung sei nicht bloss auf ein Versagen Griechenlands zurückzuführen. Sie sei auch ein Resultat der fehlgeleiteten Politik von IWF und EZB. Ihre Rezepte seien von einem funktionierenden Staat ausgegangen. Genau ein solcher fehle aber in Griechenland.
Wer ist schuld an der Misere?
Die griechisch-schweizerischen Gäste in der Sendung sehen im griechischen Staat einen Hauptschuldigen für die Misere. Vassiliki Pavlidis (48) ist in Zürich aufgewachsen und lebte 25 Jahre in Griechenland. Vor drei Jahren musste sie ihr Schuhgeschäft aufgeben und kam mit ihrem Mann zurück in die Schweiz. Als Selbstständige sah sie in Griechenland keine Zukunft.
Pavlidis hat das Vertrauen in die Politik verloren, begrüsst allerdings die Wahl von Alexis Tsipras: «Endlich mal einer, der nicht aus einer Politikerfamilie stammt.»
Selbstständig Erwerbende hätten es in Griechenland besonders schwer, pflichtet auch Dimitrios Agelopoulos (66) Vassiliki Pavlidis bei. Er ist Architekt aus Zürich, lebt seit 43 Jahren in der Schweiz und ist mit einer Schweizerin verheiratet.
«Die meisten, die heute arbeitslos sind, hatten früher ihren Laden», sagt Agelopoulos. «Jetzt stehen sie in der Ungewissheit und warten.» Für sie sei bisher nichts unternommen worden. Für Agelopoulos ist allerdings auch Tsipras kein Hoffnungsschimmer am Horizont. Er ist ein Kritiker der griechischen Linksregierung.
Petros Nanopoulos lebt seit über 40 Jahren in der Schweiz und ist Besitzer zweier Lebensmittelläden in Zürich. Auch er sucht die Schuldigen eher auf der politischen Ebene als im Volk. Das verbreitete Vorurteil von den faulen Griechen lässt der Geschäftsmann jedenfalls nicht gelten: «Ich kenne Griechen, die mit drei Jobs versuchen über die Runden zu kommen.» Während die Preise mit der Schweiz vergleichbar seien, verdiene eine Verkäuferin in Griechenland gerade mal 450 Euro. «Wie kann man so leben?», fragt er. «Immer wird der einfache Mensch bestraft.»
Wo steht das Land in zehn Jahren?
Griechenland blickt in eine ungewisse Zukunft. Nichtsdestotrotz zeigen sich die Gäste im «Forum» verhalten optimistisch. «Griechenland ist eine alte Nation», sagt etwa Petros Nanopoulos. «Sie hat schon viele schwierige Situationen gemeistert und wird überleben.»