Als 1980 die Auflage vom «Blick» stagnierte, brauchte die Zeitung dringend neue Leserinnen und Leser. So setzte das Boulevardblatt noch stärker auf die Karte Sex. Ein Sex-Ratgeber soll es richten. Der damalige Chefredaktor Peter Uebersax hatte eine genaue Vorstellung davon, welche Eigenschaften die neue Sex-Ratgeberin haben sollte. «Eine Beichtmutter für den Unterleib» habe er gesucht, sagte der 2011 verstorbene Journalist in einem früheren Interview. Eine tolerante Frau mittleren Alters müsste es sein, nicht sexy aber Charme muss sie haben. Er wurde fündig in der Person von Marta Emmenegger. Einer reifen, gestandenen und lebensklugen Frau.
Eine Beichtmutter für den Unterleib habe ich gesucht.
Die Beratungsrubrik «Liebe Marta» trug wesentlich zum Erfolg des Blattes und zur Enttabuisierung von Sexualfragen in der Schweiz bei.
Marta Emmeneggers Lebenswerk ist Futter für die Wissenschaft
7000 Briefe von Ratsuchenden, 5000 Kopien von Antworten und fast 4000 Kolumnen umfasst Marta Emmeneggers Lebenswerk. Selber noch fein säuberlich geordnet und systematisch in Ordner abgelegt, vermachte sie ihr Archiv der Universität Zürich. Das zeigt, dass sich Marta Emmenegger ihrer Rolle als Aufklärerin der Nation, wie sie von den Medien betitelt wurde, bewusst war und sie ein Interesse daran hatte, dass ihr Lebenswerk weiterlebt.
Die Briefe an die «Liebe Marta» geben Einblick in die intimsten Bereiche der Schweizerinnen und Schweizer in den 1980er und 1990er-Jahren. Längst haben sich auch Forschende mit dem Nachlass befasst. Während dreier Jahren haben sie rekonstruiert, wie die Briefe in die Kolumnen fanden, welche Briefe Marta Emmenegger auswählte und wie sie sie für die Veröffentlichung bearbeitete.
Von der Mutter und Hausfrau zur national bekannten Sexberaterin
Marta Emmenegger, geschieden und Mutter von drei Kindern, war lange Hausfrau. In den Journalismus stieg sie erst spät, mit 43 Jahren ein. Bei der Zeitschrift «Annabelle» war sie Kolumnistin für Erziehungsfragen, bevor sich ihr Leben mit 56 auf den Kopf stellte. Mit ihrer täglichen Kolumne im «Blick», Radiosendungen und Auftritten im Fernsehen hat sie nationale Berühmtheit erlangt.
«Sexberaterin ist kein Beruf, den man lernen kann», sagte sie 1994 in einem Interview. Sie habe sich in die Materie Sexualität hinein gekniet. Fachbücher gelesen und Kontakt mit Fachleuten gesucht. Marta Emmenegger verstand es, die Expertensprache in Worte zu übersetzen, die auch bei wenig gebildeten Leserinnen und Lesern ankamen.
Das ist kein Beruf, den man lernen kann.
Marta Emmenegger wurde mit allerhand Problemen bezüglich Liebe, Partnerschaft und Sexualität konfrontiert. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, die Dinge beim Namen zu nennen. Alles, was ein Paar in seiner Intimität einvernehmlich miteinander mache, sei ok. Das können die verrücktesten Sachen sein, meinte Marta Emmenegger einst zur Frage, ob es denn für sie auch Grenzen gebe? Ihre Liberalität höre dort auf, wo ein Mensch seine Sexualität, seine sexuelle Kraft missbrauche, um einen Anderen zu unterdrücken oder seinen Machtanspruch durchzusetzen. Jemanden beleidigen, verletzen oder stören – da sei es mit ihrer liberalen Haltung zu Ende.
Die intimen Sorgen und Nöte konnte Marta Emmenegger hinter sich lassen, wenn sich die Bürotür hinter ihr schloss. Dann traf sie gerne Freunde zum Essen oder einem Jass. Und kochen, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Wie wäre es mit Gnocchi à la Marta?
Rezept: Gnocchi à la Marta
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