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Marta Emmenegger
Aus Karussell vom 20.04.1983.
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Erste Sexberaterin der Schweiz Sex und Gnocchi à la Marta Emmenegger

Die Boulevardzeitung Blick suchte in den 1980er-Jahren eine Beichtmutter für den Unterleib und fand sie in der Person von Marta Emmenegger. Die Sex-Beraterin wurde schweizweit so populär, dass die Zeit für Hobbys knapp wurde.

Als 1980 die Auflage vom «Blick» stagnierte, brauchte die Zeitung dringend neue Leserinnen und Leser. So setzte das Boulevardblatt noch stärker auf die Karte Sex. Ein Sex-Ratgeber soll es richten. Der damalige Chefredaktor Peter Uebersax hatte eine genaue Vorstellung davon, welche Eigenschaften die neue Sex-Ratgeberin haben sollte. «Eine Beichtmutter für den Unterleib» habe er gesucht, sagte der 2011 verstorbene Journalist in einem früheren Interview. Eine tolerante Frau mittleren Alters müsste es sein, nicht sexy aber Charme muss sie haben. Er wurde fündig in der Person von Marta Emmenegger. Einer reifen, gestandenen und lebensklugen Frau.

Eine Beichtmutter für den Unterleib habe ich gesucht.
Autor: Peter Übersax ehemaliger Chefredaktor «Blick»

Die Beratungsrubrik «Liebe Marta» trug wesentlich zum Erfolg des Blattes und zur Enttabuisierung von Sexualfragen in der Schweiz bei.

Frau sitzt an einem mit Ordner übersäten Schreibtisch.
Legende: Der Nachlass von Marta Emmenegger ist auch für Historiker und Sozialwissenschafterinnen interessant. Getty Images

Marta Emmeneggers Lebenswerk ist Futter für die Wissenschaft

7000 Briefe von Ratsuchenden, 5000 Kopien von Antworten und fast 4000 Kolumnen umfasst Marta Emmeneggers Lebenswerk. Selber noch fein säuberlich geordnet und systematisch in Ordner abgelegt, vermachte sie ihr Archiv der Universität Zürich. Das zeigt, dass sich Marta Emmenegger ihrer Rolle als Aufklärerin der Nation, wie sie von den Medien betitelt wurde, bewusst war und sie ein Interesse daran hatte, dass ihr Lebenswerk weiterlebt.

Marta Emmenegger

Marta Emmenegger

Sex-Beraterin

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Marta Emmenegger wurde am 18. Oktober 1923 im Sternzeichen Waage in Altstätten (SG) geboren. Die dreifache Mutter war lange Zeit Hausfrau und wurde erst im Alter von 43 Jahren Redaktorin bei der Zeitschrift «Annabelle».

Mit 56 hat sich das Leben von Marta Emmenegger grundsätzlich verändert. Sie wurde die erste Sex- und Partnerschaftsberaterin beim «Blick». Als «Liebe Marta» erlangte die Ratgeberkolumnistin nationale Bekanntheit und wurde Expertin in Sexualfragen. Sie war gefragt in Funk und Fernsehen und referierte in verschiedenen Gremien zum Thema Sexualität. Zeit für ihr geliebte Hobbys, wie beispielsweise das Kochen, blieb kaum mehr. Marta Emmenegger starb im Jahr 2001 im Alter von 78 Jahren an Herzversagen.

Bild: Getty Images

Die Briefe an die «Liebe Marta» geben Einblick in die intimsten Bereiche der Schweizerinnen und Schweizer in den 1980er und 1990er-Jahren. Längst haben sich auch Forschende mit dem Nachlass befasst. Während dreier Jahren haben sie rekonstruiert, wie die Briefe in die Kolumnen fanden, welche Briefe Marta Emmenegger auswählte und wie sie sie für die Veröffentlichung bearbeitete.

Von der Mutter und Hausfrau zur national bekannten Sexberaterin

Marta Emmenegger, geschieden und Mutter von drei Kindern, war lange Hausfrau. In den Journalismus stieg sie erst spät, mit 43 Jahren ein. Bei der Zeitschrift «Annabelle» war sie Kolumnistin für Erziehungsfragen, bevor sich ihr Leben mit 56 auf den Kopf stellte. Mit ihrer täglichen Kolumne im «Blick», Radiosendungen und Auftritten im Fernsehen hat sie nationale Berühmtheit erlangt.

«Sexberaterin ist kein Beruf, den man lernen kann», sagte sie 1994 in einem Interview. Sie habe sich in die Materie Sexualität hinein gekniet. Fachbücher gelesen und Kontakt mit Fachleuten gesucht. Marta Emmenegger verstand es, die Expertensprache in Worte zu übersetzen, die auch bei wenig gebildeten Leserinnen und Lesern ankamen.

Das ist kein Beruf, den man lernen kann.
Autor: Marta Emmenegger Sexberaterin

Marta Emmenegger wurde mit allerhand Problemen bezüglich Liebe, Partnerschaft und Sexualität konfrontiert. Sie nahm kein Blatt vor den Mund, die Dinge beim Namen zu nennen. Alles, was ein Paar in seiner Intimität einvernehmlich miteinander mache, sei ok. Das können die verrücktesten Sachen sein, meinte Marta Emmenegger einst zur Frage, ob es denn für sie auch Grenzen gebe? Ihre Liberalität höre dort auf, wo ein Mensch seine Sexualität, seine sexuelle Kraft missbrauche, um einen Anderen zu unterdrücken oder seinen Machtanspruch durchzusetzen. Jemanden beleidigen, verletzen oder stören – da sei es mit ihrer liberalen Haltung zu Ende.

Die intimen Sorgen und Nöte konnte Marta Emmenegger hinter sich lassen, wenn sich die Bürotür hinter ihr schloss. Dann traf sie gerne Freunde zum Essen oder einem Jass. Und kochen, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Wie wäre es mit Gnocchi à la Marta?

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Marta Emmenegger verrät ihr Gnocchi-Rezept
Aus Radio SRF 1 vom 17.10.2023.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 58 Sekunden.

Was haben Sie für Erinnerungen an Marta Emmenegger? Schreiben Sie es in die Kommentare.

Treffpunkt; 18.10.2023 um 10:00 Uhr;

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