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Kontaktabbruch mit der Familie «Mami, versuche nicht, mich zu kontaktieren»

Dass sich die eigenen Kinder mit den Jahren etwas entfernen, ist für viele Eltern nachvollziehbar – und auch völlig normal. Was jedoch, wenn der Nachwuchs in voller Absicht jeglichen Kontakt verweigert und nicht auf Schlichtungsversuche reagiert?

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Kontaktabbruch: «Manchmal ist es die einzige Option»
aus Input Story vom 29.01.2020. Bild: colourbox/Montage SRF
abspielen. Laufzeit 17 Minuten 51 Sekunden.

Vor eineinhalb Jahren waren Evelyne Zoller und Erwin Schneider (Namen geändert) in den Ferien, als ihre Töchter unangekündigt den Kontakt mit ihnen abbrachen – obwohl sie vorher eine scheinbar enge Bindung hatten.

Gemeinsame Gruppenchats wurden gelöscht, ihre Telefonnummern blockiert. Zu Hause fand das Paar zwei Briefe vor, die den kompletten Kontaktabbruch bestätigten. «Es war, als würde uns der Boden unter den Füssen weggerissen», erzählt Erwin Schneider. Auf ein Gespräch, um die Umstände genauer zu klären, wollen sich die beiden Töchter nicht einlassen.

Schmerzhaft, aber manchmal nötig

«Wenn der Kontakt komplett abgebrochen wird, bleibt ein Schlachtfeld zurück», sagt die Psychoanalytikerin Katharina Ley. Beide Seiten des Konflikts fühlen sich als Opfer und sind verletzt. Eltern müssten einsehen, dass ein solcher Abbruch meist aus einem Selbsterhaltungstrieb des Kindes geschehe und keineswegs eine egoistische oder leichtfertige Entscheidung sei.

Grübeleien über die Gründe können einen jahrelang beschäftigen und auffressen, wenn man sich nicht um einen Abschluss bemüht. Doch wie kann man abschliessen, wenn die eigenen Kinder nicht mehr zu einem klärenden Gespräch bereit sind?

Sendungen zum Thema

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Im Podcast «Input Story» wird das Thema Kontaktabbruch aus der Perspektive der Kinder angeschaut.

In der Hintergrundsendung «Doppelpunkt» geht es vor allem um die Eltern, die von ihren Kindern verlassen werden.

Die Etappen des guten Beendens

«Etwas gut beenden ist wie trauern», erklärt Katharina Ley. Man geht mehrere Phasen durch, bis man mit der neuen Realität klarkommt. Zuerst muss man wahrnehmen, dass der Kontaktabbruch geschehen ist. Die Realität ist oft sehr schmerzvoll und Eltern wollen nicht wahrhaben, dass zu ihren Kindern nun absolute Funkstille herrscht. Irgendwann dringt jedoch die Realität durch und Verletzung macht sich breit.

Es folgen Wut und Ärger. Man fragt sich, wieso die eigenen Kinder einem das antun und versucht (unter Umständen auch verzweifelt), den Kontakt wieder herzustellen, um irgendeine Erklärung zu kriegen. Ist dies erfolglos, verglüht die Wut und es folgt die Phase der Depression, bis man schliesslich einsichtig wird. Vielleicht blickt man dann noch wehmütig auf frühere Zeiten zurück. Ultimativ wird man den Kontaktabbruch akzeptieren und das eigene Leben weiterführen. Und obschon die Sache nicht positiv ist, hat man einen Abschluss gefunden.

Den Blick nach vorne gerichtet

«Wir wissen bis heute nicht genau, warum unsere Töchter nicht mehr mit uns Kontakt haben wollen», sagen Evelyne Zoller und Erwin Schneider. Dabei sei das Schwierigste am Ganzen die Art des Abbruchs und gar nicht der Abbruch selbst.

«Wenn möglich, soll man besonders als Abbrechende versuchen, irgendwo ein Türchen offenzulassen, auch wenn es sich im Moment falsch anfühlt», sagt auch Katharina Ley. «Man weiss nie, was für zukünftige Entwicklungen passieren werden. Ein absoluter Abbruch ist alles andere als optimal.» Die Verarbeitung ist dann für beide Parteien schwieriger, doch nicht unmöglich: Man kann den Abschlussprozess auch alleine durchmachen.

Ob nun mit oder ohne offene Hintertür: Sie Verarbeitung eines Kontaktabbruchs kann Jahre dauern. Und, auch wenn es unwahrscheinlich ist: Manchmal nehmen die Kinder den Kontakt nach jahrelanger Funkstille auch wieder auf. Evelyne Zoller und Erwin Schneider erwarten nicht, dass sich ihre Töchter je wieder bei ihnen melden – die Hoffnung haben sie aber noch nicht aufgegeben.

Katharina Ley

Katharina Ley

Psychoanalytikerin und Soziologin

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Von 1977-1991 war Ley an den Universitäten Zürich und Bern in Lehre und Forschung tätig. Seit 1991 wirkt sie als Psychoanalytikerin und Gruppenanalytikerin in eigener Praxis in Bern.

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