Es gibt kaum ein Interview mit Jean-Claude Biver, in dem der Schlaf kein Thema ist. Er schlafe stets nur vier oder fünf Stunden, sagt der Chef der Uhrenmarken Hublot, Zenith und Tag Heuer: «So habe ich zwei Stunden Vorsprung auf die Konkurrenz.» Biver gibt aber zu, dass er sich tagsüber unterwegs hin und wieder einen Powernap gönnt. Das kann im Wartezimmer des Arztes sein oder auf einem Parkplatz, wenn er mit dem Auto unterwegs ist. Im Betrieb macht er den Powernap auf der betriebseigenen Toilette.

Zu wenig Schlaf ist problematisch
Für Theo Wehner, emeritierter Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich, ist das Kokettieren mit wenig Schlaf ein reines Heroisieren. Selbst wer eine Woche lang nur vier oder fünf Stunden pro Nacht schlafe, handle, wie wenn er eine Blutalkohol-Konzentration von einem Promille hätte, so Wehner. Klares Denken und weise Entscheide seien dann kaum mehr möglich.

Sich jahrelang nur vier oder fünf Stunden Schlaf pro Nacht zu gönnen, ist falsches Heldentum. Wer zu wenig schläft, handelt häufig unethisch.
Was Wehner besonders nachdenklich stimmt, sind die zwischenmenschlichen Folgen des Schlafmankos: «Wer zu wenig schläft, handelt häufig unethisch.» Unethisch, das heisst: weniger Hilfsbereitschaft, weniger Respekt, die Moral bleibt auf der Strecke. Egoismus, Sarkasmus und Zynismus nehmen zu. Wehner selbst schläft sieben bis acht Stunden pro Nacht.
Nur wer ausgeschlafen ist, kann kreativ sein
Björn Rasch forscht zum Schlaf. Er ist Professor für kognitive Biopsychologie an der Universität Fribourg. In einem Experiment hat er herausgefunden, dass sich Probanden im Schlaf abgespielte holländische Wörter besser merken konnten.
So viel weiss man: Schlaf ist kreativ. Ausserdem regenerieren Hirn und Organe, während wir schlafen. Und der Schlaf ist an den Tag-Nacht-Rhythmus gekoppelt. Durchschlafen ist allerdings eine moderne Erfindung. Wir wachen mehrmals pro Nacht auf. Je älter wir werden, desto bewusster nehmen wir solche Wachphasen wahr.

Wir wachen 14 bis 18 Mal pro Nacht auf, das ist völlig normal.
Schlafgewohnheiten im Mittelalter
Im Mittelalter wurde noch ganz anders geschlafen. Man ging – wie es der Volksmund sagt – mit den Hühnern ins Bett: Sobald es dunkel wurde, legte man sich schlafen. Nach fünf Stunden Schlaf war man für zwei Stunden wach, ass etwas, man unterhielt sich und gönnte sich dann noch einen späten Schlaf am Morgen.
Lerche oder Eule – das ist genetisch
Claudio Bassetti ist Professor für Neurologie und Schlafmedizin am Berner Inselspital. Er ist ein Langschläfer. «Das liegt in meinen Genen», sagt er. Schon sein Vater und sein Grossvater hätten gerne lang geschlafen. Langschläfer, Kurzschläfer – das liegt in unserer DNA. Wer eine Eule ist, kann nicht automatisch zur Lerche werden.

Entscheidend ist, wie ausgeschlafen sich der einzelne am Morgen fühlt.
Ein paar Mal nachts bewusst aufzuwachen ist für den Schlafmediziner völlig normal. «Wir müssen die Lage verändern, gehen auf die Toilette», alles im grünen Bereich. «Entscheidend ist, wie ausgeschlafen sich der einzelne am Morgen fühlt.» Häufig wachen wir nachts kurz auf und merken es gar nicht. Alles völlig normal und ein Erbe unserer Evolution. Unsere Vorfahren hatten stets ein waches Ohr, ob irgendwo Gefahr lauert.
Wir dürften den Schlaf nicht unterschätzen, so Bassetti: «Zu wenig Schlaf begünstigt Übergewicht, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Demenz» – also unsere Volkskrankheiten. Schlafentzug soll sich auch negativ auf Krebserkrankungen auswirken. Bassetti ist überzeugt, dass dem Schlaf schon bald die gleiche Wichtigkeit zugesprochen wird wie der Ernährung und der Bewegung.
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