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Spendengelder Der harte Markt der Hilfe

Weltweit standen 2016 gemäss Schätzungen rund 30 Milliarden US-Dollar für humanitäre Hilfe zur Verfügung. Die Hilfswerke kämpfen aber mit Angebot, Nachfrage und der Digitalisierung.

Da wäre zunächst die Frage des «Kerngeschäftes». Dieses wandelt sich. Während es bei der humanitären Hilfe traditionellerweise darum geht, nach Naturkatastrophen und Kriegen «erste Hilfe» zu leisten, das Überleben der Menschen zu sichern und ihnen ein neues Zuhause zu bieten, werden die Krisen komplexer und dauern länger. «Das braucht ein Umdenken bei den Hilfswerken, sie müssen nachhaltiger arbeiten», sagt Ruth Daellenbach, Expertin für internationale Zusammenarbeit.

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Hilfswerke kämpfen auf hartem Markt
aus Doppelpunkt vom 03.07.2018. Bild: Tdh
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Die Hilfswerke verfügen zumeist über das nötige «Knowhow», müssen aber noch stärker umdenken. «Sie müssen noch mehr auf lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder auf lokale Partnerorganisationen setzen», so Daellenbach. Diese seien immer die ersten vor Ort und seien auch noch da, wenn die ausländischen Hilfskräfte längst wieder abgereist seien.

Nachfrage übersteigt Angebot

Zum Thema Angebot und Nachfrage – im Falle der humanitären Hilfe reden wir hier von den Spendengeldern als «Angebot» und vom Hilfsbedarf als «Nachfrage». Beides nimmt laufend zu, der Hilfsbedarf steigt aber stärker an als die Spendengelder. Das führt unweigerlich zu einem Kampf um die knappen Spendengelder unter den Hilfswerken.

Dieser Kampf um die Gelder wird verstärkt durch die neuen Player, welche durch die Globalisierung in den Schweizer Hilfswerke-Markt stossen und durch die Tendenz, dass die grossen Spender, wie staatliche Institutionen oder grosse, internationale Organisationen, vermehrt vor allem grosse Hilfswerke berücksichtigen. «Diese grossen Geldgeber haben zu Recht hohe Ansprüche an die technischen Standards und machen administrative Vorgaben», erklärt Christian Gemperli, Leiter humanitäre Hilfe bei «Solidar Suisse». Diese einzuhalten sei für kleine und mittlere Hilfswerke schwierig.

kleines Mädchen springt auf Strasse zwischen zerbombten Häusern
Legende: Das schwer beschädigte Quartier Ard al-Hamra im Osten Aleppos. Caritas

Für Ruth Daellenbach sind kleine Hilfswerke aber nicht die Verlierer dieses Kampfs. «Sie können durch ein besonderes Profil und vom Rückhalt ihrer Trägerschaft profitieren.» Aus ihrer Sicht verlieren am ehesten mittlere Hilfswerke, zu klein sind für die grossen Geldgeber, aber zu gross für ein spezielles Profil.

Politischer Druck wächst

Regulierungen kommen vor allem aus der Politik. Ruth Daellenbach macht weltweit eine stärkere Tendenz zum Populismus und Nationalismus aus, welche die Arbeit der Hilfswerke erschwert. Christian Gemperli von «Solidar Suisse» spürt immer wieder, dass Regierungen den Zugang zu Krisengebieten erschweren. «Das war zum Beispiel nach dem Erdbeben in Nepal der Fall, wo die Regierung hoch regulativ auftrat.» Hugo Fasel, Direktor von «Caritas» spürt eher Druck in den westlichen Geber-Ländern. «Wir müssen hier viel mehr Aufklärungsarbeit leisten.»

Auch hier sind lokale Mitarbeiter oder Partner die Schlüsselpersonen. Für Ruth Daellenbach der zentrale Punkt: «Unsere Art in ein Land zu gehen und zu helfen hat etwas von Post-Kolonialismus», so die Fachfrau. Die örtlichen Mitarbeiter, Vertretungen und damit die einheimische Bevölkerung müsse als gleichwertiger Partner und mit grösstmöglicher Verantwortung einbezogen werden.

Die Hilfswerke selber anerkennen diese Forderung. «Terre des hommes» arbeitet hauptsächlich mit lokalen Mitarbeitern, «Caritas» hat in den Ländern viele lokale «Caritas»-Organisationen mit denen zusammengearbeitet wird und «Solidar Suisse» arbeitet mit lokalen Partnern zusammen.

App hilft bei der Diagnose

Bleibt das Thema Digitalisierung. Für die Hilfswerke auch eine Chance. Vito Angelillo, Geschäftsleiter von «Terre des hommes Kinderhilfe» macht ein Beispiel dafür, wie die Digitalisierung Leben retten kann: «Wir haben ein Projekt in Burkina Faso, bei dem eine App das Pflegepersonal bei der Diagnose und bei der Behandlung unterstützt.» Das Pflegepersonal im Land sei schlecht ausgebildet und werde so unterstützt und auch sensibilisiert. Die App liefert zudem Unmengen von Daten, welche es dem Hilfswerk und der Regierung hilft, gewisse Problemfelder aufzudecken und so auch zu steuern.

Die Schweizer Hilfswerke spüren die Herausforderungen alle. Wie sie sie angehen, ist unterschiedlich. Eines ist aber gewiss: Der Markt selber wird in den nächsten Jahren wohl nicht kleiner. Für manche Hilfswerke wird es dadurch schwieriger, darin zu bestehen.

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