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Recht von Kindern Warum hapert es bei der Umsetzung des gemeinsamen Sorgerechts?

Am internationalen Tag der Kinderrechte kritisiert «Morgengast» Oliver Hunziker, Präsident des Dachverbandes für gemeinsame Elternschaft die Behörden. Auch wenn seit 2014 das gemeinsame Sorgerecht für alle Eltern gilt, kommt es bei einer konfliktbehafteten Trennung zur Entfremdung von Kindern.

Oliver Hunziker

Präsident Dachverband für gemeinsame Elternschaft (GeCoBi)

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Oliver Hunziker hat 2009 das erste Männer- und Väterhaus gegründet. Er ist im Vorstand von Pro Familia Schweiz und er ist einer der Vorkämpfer für ein gemeinsames Sorgerecht, welches im Jahr 2014 eingeführt wurde. Oliver Hunziker ist geschieden und Vater von zwei erwachsenen Söhnen. Er lebt in einer Patchwork-Familie im Kanton Aargau.

SRF: Wenn sich Eltern scheiden lassen, funktioniert das gemeinsame Sorgerecht in der Regel. In 10 Prozent der Fälle jedoch nicht. Da bleibt ein Elternteil aussen vor. Weshalb?

Oliver Hunziker: Das kann im Konflikt zwischen den Elternteilen begründet sein. Konflikte entstehen meist erst nach der Trennung. Die können so heftig sein, dass sie zum Kontaktabbruch führen.

Bei den Vätern steht der Generalverdacht der Gewalt im Vordergrund. Die Mütter möchten nicht, dass die Kinder zum Vater gehen. Was ist es im umgekehrten Fall, wenn Väter nicht möchten, dass die Kinder auch bei der Mutter sind?

Abgesehen davon, dass dieser Fall immer noch viel seltener ist, ist er genauso tragisch. Bei diesen Konstellationen sind es meist psychische Probleme, die im Vordergrund stehen oder behauptet werden.

Es könnte ja sein, dass der Vater oder die Mutter eine Gefahr für das Kind sind.

Das ist immer möglich und soll ganz genau geprüft werden. Das Kind steht im Vordergrund. Was wir bemängeln ist, dass dies nicht so genau geprüft wird. Die Vorwürfe werden erhoben und werden schnell zu quasi Realitäten.

Wie kommt das?

Die Zeit läuft. Je länger der Kontakt nicht wieder hergestellt wird, umso schwieriger wird es. Dem stehen die Prozesse der Behörden entgegen, die teilweise viel zu lange für die Bearbeitung und Abklärungen brauchen. Diese Zeit läuft gegen das Kind und gegen den Elternteil.

Von wie viel Zeit sprechen wir?

Das können Monate sein. Bis etwas geschieht und unternommen wird, kann es ein halbes oder dreiviertel Jahre dauern. Das ist unter Umständen für das Kind bereits viel zu lange. Wenn man sich vorstellt, was ein halbes Jahr im Leben eines kleinen Kindes für einen Unterschied macht.

Es leiden die Kinder und die Eltern. Da bleibt die Hoffnung, dass die Kinder im Erwachsenenalter den Weg wieder zurück zum Vater oder zur Mutter finden?

Diese Hoffnung bleibt natürlich, aber es ist eine sehr dünne und trügerische Hoffnung.

Es ist ein ganzes Familiensystem, das verloren geht.

Vor allem, weil der junge Mann oder die junge Frau, die dann zurückkommt, fremd ist für den Elternteil. Es ist nicht mehr das Kind, das man in Erinnerung hat. Und es ist nicht nur der Vater oder die Mutter, die das Kind vermissen und verlieren. Es ist die ganze Familie auf dieser Seite. Inklusive der Grosseltern, die den Tag vielleicht gar nicht mehr erleben. Es ist ein ganzes Familiensystem, das für das Kind verloren geht.

Der Dachverbandes für gemeinsame Elternschaft fordert, dass die Behörden bei schlimmen Vorwürfen zügig untersuchen, was Sache ist, um bei einer Trennung rasch eine gute Lösung für das Kind zu finden. Kinder haben das Recht auf Mutter und Vater und sie haben das Recht von beiden gleichermassen betreut zu werden. So sieht es das Kinderrecht vor.

Das Gespräch führte Elena Bernasconi.

«Morgengast» vom 20.11.2023, 07.15 Uhr auf Radio SRF 1 ; 

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