Kundgebungen sind in der Schweiz ein Grundrecht und durch die Verfassung garantiert. Nun hat die Stadt Bern grosse Demonstrationen in der Berner Innenstadt vom 17. November bis Weihnachten verboten. Unabhängig vom Anliegen. «Es gibt kein Recht auf Meinungsäusserung im Wochenrhythmus zum gleichen Thema», begründet der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause den Entscheid. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage wegen des Nahost-Konflikts hatten im Oktober die Städte Basel, Bern und Zürich Demonstrationen verboten. In Basel und Zürich galt das Verbot jedoch nur für ein paar Tage.
Auch «sicherheitsrelevante Überlegungen»
Die öffentlichen Plätze seien bereits stark genutzt, begründet die Berner Stadtregierung den Entscheid. Es gibt Weihnachtsmärkte, den Zibelemärit und das Hochrisikospiel YB gegen Roter Stern Belgrad. Die Polizei sei schon stark gefordert. Es gäbe auch sicherheitsrelevante Überlegungen. Der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) hatte zuvor in den Tamedia-Zeitungen zum Verzicht auf Palästina-Kundgebungen aufgerufen. Die Wahrscheinlichkeit von Gewalt bei einer nächsten Kundgebung sei gross, sagte er in einem Interview.
Kritik von linker Seite und Amnesty
Ein solches Verbot sei nach Völkerrecht nur dann legitim, wenn eine konkrete Bedrohung festgestellt werden könne und wenn keine anderen, weniger restriktiven Massnahmen zur Verfügung stünden, um diese Bedrohung einzudämmen, sagt hingegen Alicia Giraudel, Juristin bei Amnesty International Schweiz. «In keinem Fall können Gründe der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein pauschales und abstraktes Verbot rechtfertigen, wie es Basel, Bern und Zürich ausgesprochen haben.»
Zunahme von Demonstrationen
Die Anzahl Demonstrationen haben in Zürich oder Bern klar zugenommen. Seit 2019 seien es in der Stadt Bern pro Jahr über 300 Kundgebungen. Im Jahr 2022 waren es sogar fast 400 Protestaktionen, sagt die Berner Orts- und Gewerbepolizei auf Anfrage. In Zürich ist das Bild ähnlich. 2022 waren es 325 Protestanlässe, klar mehr als noch vor fünf Jahren. Die Anliegen sind vielfältig. Für mehr Klimaschutz, für Frauenrechte, gegen die Wohnungsnot, gegen Corona-Massnahmen, gegen Abtreibung, gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder aktuell Proteste im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt.
Gäste:
- Pro: Christoph Zimmerli, FDP-Grossrat Bern, Jurist
- Contra: Nicola Siegrist, Präsident JUSO, Kantonsrat Zürich