Den Reisevirus hatte sich der 50-jährige Winterthurer Corrado Filipponi schon in seiner Jugend geholt. Mit 23 Jahren stand der gelernte Maler erstmals auf einer Bühne vor 400 Menschen und erzählte von seiner Reise in Neuseeland. Die Bilder hatte seine Freundin gemacht, er war für die Anekdoten und die Organisation zuständig. Als die Beziehung auseinanderging, verbesserte er seine Fotografie-Künste und zog alleine weiter. Sparen, Reisen, Vorträge halten. Sparen, Reisen, Vorträge halten. Erst sicherte ein Job im Büro seine Existenz, seit zehn Jahren kann er davon leben.
«Das Risiko trage ich alleine»
Recherchieren, fotografieren, verhandeln, produzieren, präsentieren, plakatieren, vermarkten. Corrado Filipponi kümmert sich um alle Aufgaben selbst. «Ich bin eine One-Man-Show», sagt er. Nur beim Aufbau und bei der Kasse während der Auftrittssaison hilft ihm sein Team. Im Winterhalbjahr tritt er bis zu 50 mal auf – in der ganzen Deutschschweiz.
Auf der Leinwand und im Foyer sind seine Sponsoren und Partner präsent: Es sind Reiseanbieter, Fotokamerahersteller, Fotobuchproduzenten, Ausrüster. Im Foyer haben sie ihre Stände aufgebaut und kommen mit den Kunden in Kontakt - für diesen Kontakt haben sie ihn mit Material, Ausrüstung oder Honorar unterstützt.
Im Winterhalbjahr verdient Filipponi Geld. Das Eintrittsgeld ist sein Lohn - fürs ganze Jahr. Kommt der Frühling, ist ausgelohnt und der Winterthurer geht wieder auf Reisen um Material zu sammeln für seine nächste Tour. Die Abwechslung gefällt dem 50-Jährigen. «Ich möchte nichts anderes tun», sagt er. Reisen sei anstrengend – aber spannend. «Reisen ist meine dritte abgeschlossene Ausbildung», sagt Corrado Filipponi. Er geniesst es, unabhängig zu sein - auch wenn diese Unabhängigkeit bedeutet, dass er das Risiko alleine trägt.
Grosser Saal = grosse Wirkung
So wie Corrado Filipponi war in den späten 1990er-Jahren auch der Luzerner Andreas Hutter unterwegs. Viele Jahre hat er Ureinwohner in der Mongolei, in Südamerika, im Himalaya und in Kanada begleitet und in der Schweiz von seinen Reisen erzählt. 2001 dann gründete er seine eigene Agentur «Explora» und nimmt seither Reisereferenten und Fotografen unter Vertrag. Der Deal: Hutter organisiert die Säle, die Vermarktung und das Publikum. Der Referent kommt, macht seine Show und nimmt eine Gage mit nach Hause. Das Risiko trägt Explora. Die Agentur verdient aber auch, wenn die Tour ein Erfolg ist.
Der kleinste Saal fasst 400 Leute, die meisten Säle haben Platz für 500 bis 1100 Leute. Grössere Säle hätten eine andere Wirkung - für Hutter eines der Erfolgsrezepte. Zudem hätten sich die Produktionsmöglichkeiten professionalisiert.
Glaubwürdigkeit nicht verlieren
Live-Reportagen als Gegenstück zur Online-Welt, die kurzlebig ist. Zudem müsse der Referent authentisch und glaubwürdig sein. Das könne Hutter einschätzen, weil er selber sehr viel Reiseerfahrung hat. «Diese Glaubwürdigkeit ist wichtig - wenn wir das verlieren, verlieren wir unsere Berechtigung.»
«Wir müssen nicht mit Geld, teuren Produktionsgeräten trumpfen, sondern mit Einsatz, mit Authentizität und damit, dass jemand für etwas lebt. Denn sonst stehen wir mit iMax-Produktionen in Konkurrenz und das macht keinen Sinn und ist auch nicht das Ziel.»
Zuschauer in zehn Jahren verdoppelt
Seine Produktionen sind eine Erfolgsgeschichte, das Publikum ist enorm gewachsen. Zu sehen sind die Shows nur im Winter – die Saison beginnt Ende Oktober und dauert bis März. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Besucher mehr als verdoppelt. Im Winterhalbjahr 2017/2018 besuchten zwischen 75000 und 76000 Zuschauer eine der Shows.
Erfolgreich seien Lebensprojekte – Geschichten, die mehr sind als eine Reise. Dann habe der Referent die nötige Leidenschaft, vermittle dem Publikum die Passion, die es braucht. «Ich habe den Anspruch, dass ich alles auf dem Markt kenne», sagt Andreas Hutter. Einfach zu finden seien diese Geschichten nämlich nicht. Deshalb besucht Hutter regelmässig Reiseveranstaltungen, Festivals und Bloggertreffen. «Wenn mir eine Geschichte gefällt, hat sie eine Chance, ins Programm zu kommen», sagt er. So kann es sein, dass aus einem Buchprojekt eine Multivision-Show entsteht. Das Erfolgsrezept sei eigentlich einfach: «Ein guter Referent muss seinen Traum leben. Denn das fehlt den meisten Menschen; dass sie nicht ihren Träumen nachgehen.»