Bestimmt wissen Sie noch, wann Sie zum letzten Mal ein saftiges Wienerschnitzel verzehrt haben oder gar der Versuchung erlegen sind, «foie gras» zu bestellen. Klassiker aus der Küche machen uns glücklich. Und sie sind mit Erinnerungen verbunden. «Man hat ihren Geschmack genau abgespeichert und weiss exakt, wo und wann man sie zuletzt gegessen hat», sagt Autorin und Rezeptentwicklerin Susanne Vögeli, die sich schon seit Jahren mit Klassikern beschäftigt.
Das Zusammenspiel der Zutaten macht's aus
Warum werden aber bestimmte Gerichte zu Klassikern, während andere für immer in den Tiefen eines Kochbuchs verschwinden? Klassiker verfügten über eine ideale Zusammensetzung der Zutaten, sagt Susanne Vögeli. Bei der «Tarte Tatin» zum Beispiel, dem französischen Apfelkuchen, passe alles genau zusammen. In unserem westlichen Kulturkreis werden Gerichte als «gut» empfunden, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und einander im Geschmack unterstützen. Dazu kommt auch der Nimbus eines Gerichts – die Legenden, die sich darum ranken oder die Werbung. «Im besten Fall spielt beides zusammen», sagt Gastrojournalist Andrin Willi.
Klassiker dürfen nicht stehen bleiben
Aber: Auch kulinarische Klassiker müssen sich weiterentwickeln, um in aller Munde zu bleiben, sagt Susanne Vögeli. «Klassiker gehen unter, wenn man sie genauso beibehalten möchte wie damals.» Es müsse einem gelingen, ein Gericht mit der aktuellen Zeit und den Lebensbedingungen in Verbindung zu setzen. «Nur dann hat ein Klassiker die Chance zu überleben.»
Das Fülscher-Kochbuch
Die Rezeptentwicklerin weiss, wovon sie spricht: Sie ist mitverantwortlich für die Weiterentwicklung des Kochbuchs von Elisabeth Fülscher, der Schweizer Kochbibel schlechthin. Das Kochbuch enthält 1700 Original-Rezepte und stammt aus dem Jahr 1966. «Wenn wir Rezepte überarbeiten, hinterfragen wir bei jedem Gericht den Zucker- oder Fettgehalt. Wir studieren die Kochzeit und überlegen uns, mit welchen Geräten man die Gerichte früher kochte», erklärt Susanne Vögeli.
Rezepte sollen in ihren Augen die Tradition von damals behalten, aber auch offen sein für aktuelle Einflüsse. Die letzte Neu-Auflage des «Fülscher» erschien 2013.
«Foie gras» geniessen ohne schlechtes Gewissen
Einer, der auch gerne mal einen Kulinarik-Klassiker weitererentwickelt, ist der Koch, Tüftler und Produzent Tobias Buholzer. In seinen Restaurants bietet der Luzerner zum Beispiel auch eine Alternative zur Gänseleber «foie gras» an: die «noix gras».
Weil die Herstellung des Originals auf Kosten des Tierwohls geht, hatte Buholzer immer ein schlechtes Gewissen, die echte Gänseleber anzubieten. Mit einem Gemisch aus Butter, Fett, Cashew- und Piniennüssen und dem Geschmack von Périgord-Trüffel gelang es ihm schliesslich vor ein paar Jahren, ein fast identisches vegetarisches Produkt herzustellen. Aus dem Klassiker «foie gras» wurde der neue Klassiker «noix gras».