Elektro-Scooter, E-Bikes und E-Roller sind auf dem Vormarsch. Doch nicht nur zum Guten. Von 2020 bis 2024 sind allein die Unfälle mit E-Trotrottinett stark gestiegen. Was sind die Gründe? Christoph Leibundgut von der Beratungsstelle für Unfallverhütung ordnet ein.
SRF: Ein Anstieg der Unfälle von 223 Prozent in vier Jahren. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die Zahlen vor sich haben?
Christoph Leibundgut: Es ist noch eindrücklicher, wenn man das Jahr 2019 noch dazu nimmt. Dann wurden E-Trottinetts das erste Mal erfasst und es gab ein paar wenige Dutzend Unfälle. Ganz überraschend ist der Anstieg nicht: Vor sechs, sieben Jahren hatte noch kaum jemand ein E-Trottinett. Mittlerweile fahren relativ viele herum. Weshalb Leute verunfallen, das steht auf einem anderen Blatt.
Also dann kann man sagen: Das ist normal – alles in Ordnung?
Nein, überhaupt nicht – aber es ist ein junges Phänomen. Man hat Indizien, weshalb die Leute verunfallen. Wenn man beispielsweise weiss, dass dreiviertel der Unfälle Selbstunfälle sind und davon fast 40 Prozent aufgrund von Alkohol passieren, dann ist das Indiz relativ deutlich. Wer mit einem E-Trottinett unterwegs ist, sollte besser nicht trinken.
Was für Gründe gibt es noch für den Anstieg?
Ein Grund ist: Es gibt viel mehr von diesen E-Trottinett. Sie sind in Mode, es ist ein Trendfahrzeug. Wie ein normales Trottinett hat es kleine Räder. Aber hier kommt noch das Tempo hinzu.
Die kleinen Räder verzeihen keine Fehler.
Mit einem E-Trottinett ist man mit bis zu 20 Kilometer pro Stunde unterwegs. Fährt man über einen Randstein, hat dieser eine Kante. Da bleibt man hängen und fällt vorne raus. Die kleinen Räder verzeihen keine Fehler. Wenn es ein Schlagloch hat und man nicht aufpasst, verliert man schnell das Gleichgewicht. Gerade wenn jemand ungeübt ist und nicht weiss, wie man reagieren muss.
Schaut man in die Statistik sind in allen Alterskategorien sind die Unfallzahlen von 2024 gegenüber 2023 leicht gesunken. Nur bei den 45- bis 64-Jährigen sind sie gestiegen. Wieso?
Das weiss man nicht im Detail. Sicher ist, eine Bevölkerungsgruppe findet diese Trend-Fahrzeuge «cool» und dann verbreiten sie sich. Man findet es praktisch, weil man es beispielsweise im Bus oder im Zug mitnehmen kann. Dann merkt die nächste Gruppe auch, dass man einen Stutz, den man vorher mühsam hochgelaufen ist, mit dem E-Trottinett einfacher hochkommt.
Dann kann das schon sein, dass das verzögert in dieser Altersgruppe angekommen ist und es in dieser Altersgruppe vielmehr Menschen gibt, die mit E-Trottinetts unterwegs sind und deshalb die Zahlen gestiegen sind.
Wenn man weiss, dass neun von zehn Schwerverletzten ohne Helm unterwegs sind, dann ist der Helm das Wichtigste.
Weshalb sie bei der anderen Alterskategorien zurückgegangen sind, ist reine Spekulation. Einerseits kann es sein, dass der Trend am Abflauen ist. Es kann sein, dass der Peak erreicht ist, und wer eines hat, auch in Zukunft fahren wird. Dann wird es spannend: Man sieht, wie sich das über die Jahre entwickelt. An einem einzelnen Jahr ein Detail herauszulesen, ist schwierig, weil die einzelnen Jahre immer noch gewisse Unsicherheitsfaktoren beinhalten.
Weniger Unfälle muss das Ziel sein. Haben Sie noch Tipps für alle, die mit E-Trottinett unterwegs sind?
Wenn man weiss, dass neun von zehn Schwerverletzten ohne Helm unterwegs sind, dann ist der Helm das Wichtigste.
Man muss sich bewusst sein, die meisten Unfälle auf dem E-Trottinett sind Selbstunfälle. Folglich liegt es an einem selber, wie man sich auf dem E-Trottinett verhält. Bei nasser Strasse sollte man sich ein bisschen zurücknehmen, damit man nicht ausrutscht.
Das Gespräch führte Michael Brunner.