Vjosa Osmani, die Präsidentin der Republik Kosovo, ist am Mittwoch und Donnerstag auf Staatsbesuch in der Schweiz. Von den insgesamt etwa 2,2 Millionen Kosovaren leben zurzeit rund 200'000 in der Schweiz. Sie führen mehr als 6'000 Firmen hierzulande. Enver Robelli ist Balkan-Experte und Journalist beim «Tages-Anzeiger». Er selbst deutet den Staatsbesuch auch als Wertschätzung gegenüber der kosovarischen Diaspora in der Schweiz.
SRF: Wie deuten Sie den Staatsbesuch der kosovarischen Präsidentin Osmani?
Enver Robelli: Es ist eine öffentlich zelebrierte Annäherung und Freundschaft zwischen den beiden Staaten. Dass es in diesem Jahr Kosovo ist, überrascht mich nicht. Für mich gibt es dafür drei Gründe: Erstens würdigt die Schweiz die demokratische Entwicklung im Kosovo. Andere Balkanstaaten entwickelten sich in den letzten Jahren zu korrupten Autokratien. Zweitens ist die Einladung ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den über 200'000 Menschen mit kosovarischen Wurzeln in der Schweiz. Und drittens zeigt die Schweiz mit dem Besuch, wie wichtig die Stabilität im Balkan – und insbesondere im Kosovo – ist.
Wie beeinflusst die kosovarische Diaspora in der Schweiz die Politik und Wirtschaft im Kosovo?
Der Kosovo wird ironisch, aber nicht ganz falsch, als der 27. Kanton der Schweiz bezeichnet. Wenn man in Pristina landet, sieht man ausrangierte Schweizer Postautos und Möbelhäuser namens Migros. Auch in ländlichen Dörfern kann es vorkommen, dass plötzlich Schweizerdeutsch gesprochen wird.
Über eine Milliarde Schweizer Franken fliessen jährlich von der Schweiz in den Kosovo
Das Wichtigste sind aber die Überweisungen der Ausland-Kosovaren: Über eine Milliarde Schweizer Franken fliessen jährlich von der Schweiz zu deren Familien im Kosovo. In der Schweiz gibt es rund 6'000 Firmen, die von Kosovaren und Kosovarinnen geführt werden.
Und schliesslich berichten kosovarische Medien ausführlich über Xherdan Shaqiri oder andere Schweizer Fussballer mit kosovarischen Wurzeln.
Die Schweiz gab Kosovo auch viel Hilfe und investierte in das Land. Fruchtet die Unterstützung der Schweiz im Kosovo?
Dass die Unterstützung erfolgreich war, sieht man daran, dass es praktisch keine Asylanträge aus dem Kosovo mehr gibt. Kosovaren kommen vor allem als Touristen in die Schweiz – und gegen Touristen hat die Schweiz nichts.
Wenn Sie einen Mobilfunkanbieter anrufen, sitzt die Person oft im Kosovo und versteht sogar Walliserdeutsch.
Zwischen den beiden Ländern gab es oft Wissenstransfers. Der Kosovo verfügt heute über eine relativ stabile und gute Infrastruktur. Zudem hat der Kosovo eine junge Bevölkerung, junge Frauen und Männer, die mehrere Sprachen sprechen.
Ein Beispiel: Wenn Sie in der Schweiz ein Problem mit einem Mobilfunkanbieter haben und dort anrufen, landen Sie meist in einem Callcenter. Und die Person, die das Telefon abnimmt, sitzt nicht selten im Kosovo und versteht möglicherweise sogar Walliserdeutsch.
Das Gespräch führte Sandra Schiess.