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Skigebiete ohne Schnee Wettrüsten auf der Piste: Skifahren um jeden Preis?

Die Winter werden immer wärmer. Doch das technische Wettrüsten auf der Piste ist umstritten. Soll man den Schweizer Skitourismus mit Schneekanonen retten? Oder soll sich der Wintertourismus mehr der Natur anpassen?

Skitourismus in den Alpen ist eine Industrie, die ohne Schneekanonen und künstlichen Speicherseen kaum mehr funktioniert. Der warme Herbst zeigt: Die Winter werden kürzer, die Schneedecke immer dünner. Mehr als die Hälfte aller Pisten in der Schweiz werden mittlerweile künstlich beschneit. Tendenz steigend. In Österreich sind es gar 70 Prozent. Gleichzeitig wird es immer wärmer.

Letzte Woche mussten mehrere Skirennen in Zermatt wegen Schneemangels abgesagt werden. In einigen Regionen wurde der Start der Skisaison verschoben, weil die Schneekanonen wegen der warmen Temperaturen noch nicht starten konnten.

Beschneiter Pistenkilometer kostet eine Million

Umweltschutzorganisationen kritisieren: Künstliche Beschneiung braucht viel Wasser und Strom. Energie, die derzeit sowieso knapp ist. Und Beschneiung ist unglaublich teuer: Der Bau eines beschneiten Pistenkilometers koste schätzungsweise eine Million Franken.

Das Bild der skiverrückten Schweiz ist veraltet. Es gibt immer weniger Schnee. Immer weniger Gäste. Und es wird immer teurer.
Autor: Reto Knutti ETH-Professor und Klimaforscher

Für den Klimaforscher und leidenschaftlichen Skifahrer aus Gstaad, Reto Knutti, ist das stetige Aufrüsten der Skigebiete eine fragwürdige Flucht nach vorne. Dabei sei das Bild der skiverrückten Schweiz veraltet. Es gebe immer weniger Skifahrer, immer weniger Schnee und Skifahren werde immer teurer. 

Nullgradgrenze um 400 Meter höher – und sie steigt weiter

Fakt ist: Die Nullgradgrenze im Winter ist um 400 Meter gestiegen, laut Klimaszenarien könnten sie bis Mitte Jahrhundert um weitere 400 Meter steigen. Skigebiete in mittlerer Lage hätten kaum Zukunft, sagt auch die Naturschutzorganisation Pro Natura.

Kunstschnee brauche viel Wasser und Strom und sei schädlich für das empfindliche alpine Ökosystem. Die betroffenen Regionen sollten deshalb die Situation als Gelegenheit nutzen und naturverträglichere Geschäftsmodelle entwickeln, fordert Pro Natura.

Den Saisonstart nach hinten verschieben, Pistenkilometer reduzieren, alternative Wintersportmöglichkeiten anbieten sowie Konzentration auf Skigebiete in grosser Höhe, das sind Ideen aus dem Lager der Ausbau-Kritiker.

«Hunderttausende Arbeitsplätze würden verloren gehen»

Doch Menschen, die vom Skitourismus leben, kontern: Das, was so viel Energie verbrauche, sei eine Investition in Arbeitsplätze. FDP-Ständerat Hans Wicki forderte vor drei Jahren gar Staatshilfe für Schneekanonen.

Es stehen Hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel, weil von den Bergbahnen auch Hotels, Skischulen und Sportgeschäfte profitieren.
Autor: Berno Stoffel, Direktor Seilbahnen Schweiz

Für die Skigäste im Winter sei die Schneesicherheit einer Destination das wichtigste Kriterium. Wer das nicht garantieren könne, verliere Gäste. Und wenn Bahnen Konkurs gingen, würden bald auch Hotels und Gewerbebetriebe schliessen, sagt Berno Stoffel von Seilbahnen Schweiz. Hunderttausende Arbeitsplätze würden verloren gehen.

Und apropos Stromknappheit: Gemäss Verband Seilbahnen Schweiz liegt der Verbrauch der Bergbahnen bei 0,3 Prozent des gesamten Strombedarfs der Schweiz.

Zu Gast waren in der Sendung «Forum» auf Radio SRF 1

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Forum
Legende: SRF
  • Reto Knutti , ETH-Professor und Klimaforscher sowie leidenschaftlicher Skifahrer aus Gstaad
  • Berno Stoffel, Direktor Seilbahnen Schweiz

    Radio SRF 1, 9.11.2022, Forums-Teaser, 7 Uhr

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