In unserer schnellen Zeit entsteht immer häufiger das Bedürfnis auf die Bremse zu stehen. Bewusste Atmung im Yoga oder autogenes Training sind deshalb beliebt. Aber auch das Apnoetauchen verzeichnet Zulauf. Nur wer völlig entspannt, kommt unter Wasser weiter. Manou Maier ist Freitaucherin und spricht über ihre Erfahrungen unter Wasser.
SRF: Kannst du mir das Gefühl beschreiben, welches du beim Freitauchen empfindest?
Manou Maier: Es ist ein Gefühl von Freiheit.
Ich habe schon beim ersten Freitauchgang gemerkt, dass mir nur 30 Sekunden ohne Atem mehr Freiheit vermitteln als eine Stunde tauchen mit Flasche.
Die Zeit dehnt sich aus, man wird leicht, schwerelos, es entsteht ein starker Kontakt nach Innen, mit sich selbst. Und gleichzeitig wird daraus eine Verbundenheit mit der Natur, man fühlt sich als Teil des Wassers, womöglich weil unser Körper zu grossen Teilen aus Wasser besteht.
Normalerweise holen wir alles 4 bis 5 Sekunden Luft. Was passiert im Körper, wenn man das nicht tut?
Der CO2-Spiegel im Blut steigt. CO2 hat eine entspannende Wirkung, löst aber auch den Atemreflex aus, mein Körper will Luft holen. Dafür wird das Zwerchfell in Bewegung gesetzt, was zu Kontraktionen führt. Die sind unangenehm. Wir lernen aber sie auszuhalten, das ist eine Frage der Übung.
Wie üben Sie das?
Ein Teil davon ist Wissen über die Vorgänge im Körper. Es hilft zu verstehen, dass die Kontraktionen nicht von einem fehlenden Sauerstoffanteil kommen, sondern eben vom erhöhten CO2. Und natürlich hilft das Training. Technisches Druckausgleichstraining, Atemübungen, Krafttraining oder Stretching gehören häufig dazu. Jeder trainiert nach seinem Gusto, aber etwas haben wir alle gemeinsam: Wir müssen uns entspannen. Uns vertrauen. Unsere mentalen und körperlichen Grenzen sehr genau kennen.
Man hört immer wieder von Todesfällen. Wie kann das passieren?
Beim Freitauchen gerät man häufig in eine Art Flow, der süchtig machen kann.
Wenn man in die Tiefe taucht, erreicht man ab einem bestimmten Punkt den Freien Fall. Man muss sich nicht mehr bewegen, kann sich einfach fallen lassen, den Körper völlig loslassen und das ist wunderschön. Da kann es kritisch werden. Deshalb setzen wir vorgängig die Tiefe fest. Tauche nie alleine. Das soll man übrigens auch in der Badewanne nicht tun! Gefährlich wird es, wenn wir überheblich werden. Die Kontroll- und Sicherheitsabläufe müssen immer Priorität haben.
Du hast durchs Apnoetauchen zum Atem und seinem Potenzial gefunden. Wie hat sich dein Leben dadurch verändert?
Ich habe begriffen, dass ich die Atmung lenken kann. Dass ich meine Lunge, meine Atemmuskeln trainieren kann. Es geht weniger um die Luftmenge, die da reinpasst, sondern um die Art der Atmung.
Tief und fein zu atmen ist wichtig, das bestehende Volumen effizient zu nutzen.
Durch das Apnoe-Training atme ich auch im Alltag bewusster, tiefer und kann schneller wieder entspannen.
Wenn ich gestresst bin sag ich mir, beim Freitauchen kann ich es ja auch. Der Fokus auf die Atmung hat mich auch zur Yogalehrerin gemacht. Die Yogis sagen da übrigens etwas Cleveres dazu: Wir haben eine bestimmte Anzahl Atemzüge auf den Weg bekommen. Sind die verbraucht, ist das Leben zu Ende. Es lohnt sich also bewusst zu atmen.
Apnoetauchen verzeichnet Zulauf. Auch sonst boomen Angebote rund um den Atem. Warum? Haben wir verlernt zu atmen?
Das stimmt, es ist eine richtige Modeströmung, es gibt extrem viele Bücher und viele Inhalte auf Social Media dazu. Ich denke, dass tatsächlich viele nicht mehr wissen, wie sie gesund atmen können. Weil sie dauernd unter Anspannung und Stress stehen.
Einige müssen leider zuerst ausbrennen, um wieder lernen zu entspannen. Wir sollten das Potential des Atems wieder besser nutzen, um zu entschleunigen. Feitauchen hat mir dieses Bewusstsein gebracht.
Den Atem unter Wasser anzuhalten bedeutet einen kompletten Unterbruch des Alltags. Ein paar Sekunden fühlen sich dort an wie eine Ewigkeit.