Vor sechs Jahren hat sich Michèle Kümin durch einen Zeckenstich mit Borreliose-Bakterien angesteckt. Sie ging immer wieder an Krücken, da ihr Knie durch eine Gelenkentzündung stark angeschwollen war. «Lange Zeit getraute ich mich gar nicht mehr in den Wald», erzählt die 50-Jährige. Nachdem sie von ihrem Arzt Norbert Satz mit Antibiotika und Cortison behandelt wurde, gilt sie nun als geheilt. «Jetzt habe ich einen Hund, mit dem ich spazieren gehe – am liebsten in Gummistiefeln, um mich vor Zecken zu schützen.»
Zecken können verschiedene Krankheitserreger auf den Menschen übertragen. Gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kann man sich impfen lassen; gegen Borrelien-Bakterien nicht. Im laufenden Jahr stellt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für FSME bis Anfang Oktober eine neue Rekordzahl von über 330 Erkrankungen fest. Im gleichen Zeitraum waren es im vergangenen Jahr rund 220 Krankheitsfälle. Auch die Zahl der Erkrankungen durch Borreliose ist im mehrjährigen Vergleich mit über 12'000 Fällen sehr hoch.
Risiko auch im Hausgarten
Der Kampf gegen die Folgen von Zeckenstichen findet an verschiedenen Fronten statt. Die geltende FSME-Impfempfehlung für Risikogebiete ist nur eine davon. Klar ist: Ausrotten lassen sich Zecken nicht. Ihre Ausbreitung ist zu gross, ihre Überlebensstrategie zu stark. Fachleute setzen daher auf Prävention, die nun auch in Privatgärten in Waldnähe ansetzt, in denen viele Zecken vorkommen. So berät Werner Tischhauser von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in der Region Winterthur eine Familie mit einem Zeckenproblem im eigenen Garten.
«Mit gezielten gartenbaulichen Massnahmen schaffen wir ungünstige Lebensbedingungen für die Zecken», sagt Tischhauser. «Das Ziel ist, die Durchlüftung von Hecken zu verbessern und die Bodenfeuchtigkeit zu reduzieren.» Dadurch will man es den Zecken erschweren, sich festzusetzen, und sie sollen schneller austrocknen. Die ZHAW hat zudem eine App entwickelt, über die man anonym Zeckenstiche oder -sichtungen melden kann. Auf diese Weise gewinnen die Wissenschafter neue Erkenntnisse über die Ausbreitung der Blutsauger.
Tiefgekühlte Labor-Zecken
Die Hochschule ruft dazu auf, Zecken einzuschicken, die im Labor auf Krankheitserreger untersucht werden. Bis im Herbst 2018 sind im Borreliose-Referenzlabor in La Chaux-de-Fonds bereits gegen 500 Sendungen eingetroffen.
Um die Zecken für spätere Untersuchungen haltbar zu machen, werden sie bei minus 80 Grad tiefgekühlt. Mikrobiologe Reto Lienhard sagt: «Zecken geben uns Rätsel auf. Vieles weiss man noch nicht; für die Forschung gibt es viel Arbeit.»
Keine Panik schüren
Der Arzt und Zecken-Spezialist Norbert Satz warnt trotz den hohen Fallzahlen vor Panikmache. «Wer sich gegen FSME impfen lässt, ist vor dieser Krankheit geschützt», sagt er. Mit Vorsichtsmassnahmen wie langen Hosen lässt sich bei Waldspaziergängen auch die Gefahr einer Borreliose-Ansteckung verringern. Zudem sollte man den eigenen Körper nach kleinsten Zecken absuchen. «Nicht jede Borreliose-Infektion führt zum Ausbruch der Krankheit», fügt Satz an. «In den allermeisten Fällen wird das Immunsystem mit den Bakterien fertig.»