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Ungesunde Lebensmittel Muss man ungesunde Lebensmittel kennzeichnen?

Der Ständerat will die Freiwilligkeit des Nutri-Scores ins Gesetz schreiben. Zu Recht? Oder braucht es eine Pflicht? Darüber diskutieren wir in der Diskussionssendung «Forum».

Der Ständerat hat am Dienstag praktisch ohne Gegenstimme eine Motion angenommen, die die Freiwilligkeit des Nutri-Score «präventiv» ins Gesetz schreiben will. Das sorgt für Unmut.

Rund 25 Würfelzucker isst jeder Schweizer im Durchschnitt – pro Tag. Vor allem Süssgetränke und Frühstücksflocken, aber auch Fertigpizzas oder Joghurts sind regelrechte Zuckerbomben. Auch zu viel Salz, gesättigte Fettsäuren und ein Übermass an Kalorien gefährden unsere Gesundheit und sind mitverantwortlich für die Volkskrankheit Übergewicht.

Nutri-Score soll Produktevergleich vereinfachen

Immer mehr Lebensmittelhersteller zeigen auf ihren Verpackungen mit dem sogenannten «Nutri-Score» anhand von fünf Ampel-Farben, wie gesund der Inhalt im Vergleich zu ähnlichen Produkten ist. Von dunkelgrün für «ausgewogen» bis dunkelrot für «ungesund». Verglichen wird nur in der gleichen Produktekategorie – also zum Beispiel Fertigpizzen mit Fertigpizzen.

In der Schweiz weisen mehr als 7000 Produkte von 84 Unternehmen den Nutri-Score freiwillig auf. Politisch ist die Ampel umstritten. Unterstützung erhält er von Bundesrat und BLV, von Konsumentenschutzorganisationen und Ärztevereinigungen.

«Es braucht eine einfache Übersetzungshilfe»

Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz sagt: «Jede vierte Person in der Schweiz ist übergewichtig. Es braucht eine verständliche Deklaration und eine einfache Übersetzungshilfe auf allen verarbeiteten Produkten.» Das Kleingedruckte auf der Rückseite der Produkte sei schwer verständlich. «Es gibt zum Beispiel unglaublich viele verschiedene Zuckerarten, hier können die Hersteller viel verstecken.» Doch die Industrie sperre sich gegen Transparenz und beharre auf der Freiwilligkeit der Lebensmittel-Ampel, kritisiert Sara Stalder.  

Eine Deklarationspflicht würde für Transparenz sorgen

Für die Allianz Ernährung und Gesundheit ist die freiwillige Deklaration des Nutri-Score einzelner Hersteller ein erster Schritt, der aber nicht reiche: «Erst wenn ein grosser Teil der Produkte gekennzeichnet ist, kann man diese wirklich untereinander vergleichen». Die Organisation fordert deshalb eine flächendeckende Einführung des Nutri-Scores.

So wird der Nutri-Score berechnet

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Der Nutri-Score zeigt auf, wie ausgewogen ein Produkt auf einer Skala von einem grünen A bis zu einem roten E zusammengesetzt ist. Positiv bewertet wird der Gehalt an Früchten, Gemüse, Hülsenfrüchten, bestimmten Ölen, Ballaststoffen und Proteinen. Umgekehrt wird negativ bewertet, je mehr Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und Energie ein Lebensmittel enthält.

Die Hoheit über den Nutri-Score haben die Gesundheits- und Ernährungsbehörden der teilnehmenden Länder. Für die Schweiz ist es das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Die Berechnungsgrundlage für den Nutri-Score wird regelmässig überarbeitet, um dem wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung zu tragen. Diese Arbeit wird von einem wissenschaftlichen Ausschuss durchgeführt.

Kritik an der Einfachheit

Käse- und Milchproduzenten, Bauern sowie die Lebensmittelbranche wehren sich gegen eine obligatorische Einführung. Die Ampel werde von den Konsumenten nicht verstanden, so ein Argument. Der Nutri-Score führe in die Irre – so würden beispielsweise Schorlen gleich bewertet wie reiner Apfelsaft, bemängelt der Schweizer Obstverband. Hoch verarbeitete Produkte mit vielen Ersatz- und Zusatzstoffen schnitten zum Teil besser ab als Naturprodukte.

Naturprodukte wie Ölivenöl, Käse und Obstsäfte oft schlecht bewertet

Kritiker einer Kennzeichnungspflicht bemängeln ebenfalls, dass der Nutri-Score keine Zusatzstoffe wie Vitamine oder Omega-3-Fettsäuren oder künstliche Süssstoffe berücksichtigt. Dass Olivenöl mit gesunden Fettsäuren nicht über ein C hinauskommt, wird von Gegnern ebenfalls kritisiert.

Soll der Nutri-Score in der Schweiz freiwillig bleiben? Kann jeder selber entscheiden, was für ihn gesund ist? Oder soll die Lebensmittel-Ampel auf allen verarbeiteten Lebensmitteln Pflicht sein, als hilfreiches Mittel gegen die Volkskrankheit Übergewicht? Diskutieren Sie mit.

Gäste in der Sendung

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  • Sara Stalder , Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz
  • Marcel Kreber, Geschäftsführer des Dachverbands der Getränkebranche Schweiz

Radio SRF 1, 06.06.2023, 16:40 Uhr

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