Wahrsagerinnen und selbsternannte Propheten versorgen die Welt ständig mit ihren Prognosen über Katastrophen, bis hin zum Weltuntergang. Michael Kunkel von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften macht zum Jahresende jeweils den Prognosecheck.
SRF: Wie häufig kommt es vor, dass die Welt untergeht?
Michael Kunkel: (lacht) Für 2023 habe ich etwa zehn Prognosen gefunden, aber ich bin mir sicher, dass ich nicht alle gesehen habe. Die Prognosen sind recht häufig. Meistens kommen sie aus heiligen Büchern. Auch 2023 hätte die Welt mehrfach untergehen sollen. Besonders jetzt, zwischen den Jahren, ist wieder der Weltuntergang vorausgesagt.
Wann und wie hätte die Welt untergehen sollen?
Das «Wie» sagen die Leute nicht. Sie nennen im besten Fall einen Termin. Den 23. September haben irgendwelche Verschwörungstheoretiker aus allen möglichen Filmen, «Big Bang Theory» zum Beispiel, herausgefiltert. Dann gab es jemanden, der einen Juni-Termin auf Facebook genannt hat. Der war wohl von irgendeiner schrägen Bibelversion beeinflusst. Und das, was im Moment passieren soll, scheint auf dem Maya -Kalender zu beruhen. Aber das ist ja schon 2012 nicht passiert.
Bei Nostradamus wird fast jedes Jahr der dritte Weltkrieg ausgelesen.
Weitere, vielleicht weniger schlimme Beispiele, die Ihnen aufgefallen sind?
Viele Prognosen betreffen Katastrophen. Es sollte sich zum Beispiel die Erdumlaufbahn ändern. Das ist nicht passiert. Das wäre möglicherweise wirklich eine Katastrophe. Ansonsten gibt es die üblichen Prognosen. Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüche und bei Nostradamus wird fast jedes Jahr der dritte Weltkrieg ausgelesen.
Gab es Weissagungen bezüglich 2023 für die Schweiz?
Viele der allgemeinen Prognosen gelten natürlich auch für die Schweiz. Direkt für die Schweiz habe ich nur von einem Medium aus Kanada die fantastische Vorhersage gefunden: Es würde Lawinenabgänge geben (lacht). Das ist so ein Prinzip der Vorhersagen: Es wird entweder Triviales vorhergesagt, das sowieso zutrifft. Ich kann zum Beispiel voraussagen: Morgen gibt es ein Erdbeben in Asien. Die Erdbebenforscher messen da aber sowieso jeden Tag ein paar. Oder es ist absurd. Das gleiche Medium hat einmal vorausgesagt: Ein Papagei würde eine Bank überfallen und ich war geneigt zu fragen, wie transportiert er seine Beute ab?
Die Astrologen sind allerdings sehr vorsichtig. Sie sagen in der Regel nichts Exaktes voraus.
Wer macht eigentlich solche Voraussagen?
Es gibt Hellseher und Wahrsager aus der ganzen Welt. Die machen hunderte, bis zu tausende Vorhersagen pro Jahr. Die sind meistens recht kurz. Entweder sind sie trivial oder – man kann schon fast sagen – irre. Dazu kommen die Astrologen. Die Astrologen sind allerdings sehr vorsichtig. Sie sagen in der Regel nichts Exaktes voraus. Sie sagen: Es wird eine Änderung geben wegen dieser oder jener Konstellation, aber die sagen nicht voraus, es wird das oder das passieren.
Sie haben ja einen sehr ironischen Blick auf die Sache. Aber nehmen Sie das Thema bisweilen auch ernst?
Ernst nehmen tue ich die Leute schon, aber das, was sie sagen, nicht. Was mich dabei wirklich auch ärgert ist, dass damit den Menschen Angst gemacht wird. Es gibt leichtgläubige Menschen, die das ernst nehmen. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich war ja auch mal jünger und da habe ich auch gedacht: Ja, Nostradamus sagt jetzt den dritten Weltkrieg voraus. Damals war noch der kalte Krieg und da kriegt man Angst. Das ist kein schönes Gefühl.
Zum Schluss: Was erwartet uns 2024?
Laut den Prognosen eigentlich das Gleiche wie 2023. Nur die Änderung der Erdumlaufbahn wird nicht nochmal vorausgesagt.
Das Gespräch führte Remo Vitelli.