Der Eritreer Yonas Mohbratu (21) flüchtete über das Meer nach Europa. Zusammen mit seiner Frau Lucia (19) und ihrem gemeinsamen Baby lebte er über ein halbes Jahr bei der Familie von Siebenthal. Input war beim Einzug mit dabei. Heute leben die Eritreer in einer eigenen Wohnung. Input besucht wieder beide Familien und spricht mit ihnen über enttäuschte Erwartungen und ungeahnte Chancen.
«Sie nannten uns Mama und Papa»
Eines der drei Kinder ist ausgezogen, mehr als genug Platz im Einfamilienhaus auf dem Land, das Elend gross – warum also nicht etwas vom eigenen Glück teilen, haben sich die von Siebenthals gesagt, als im letzten Herbst die eritreische Familie bei ihnen eingezogen ist.
«Input» wollte damals wissen, ob sie es anderen Interessierten nach ihren ersten Erfahrungen empfehlen würden. Absolut, meinte er:
Es ist spannend, man kann Neues lernen, es ist bereichernd.
Mittlerweile lebt die Familie aus Eritrea in einer eigenen Wohnung, die ihnen von einer Nachbargemeinde zur Verfügung gestellt wird. Einerseits hätten sie das Gefühl gehabt, sie seien bereit für diesen Schritt, sagt Maria von Siebenthal. Andererseits ging es ihr gesundheitlich nicht so gut, darum hatte sie das Bedürfnis nach mehr Privatsphäre.
Wie hat das junge Paar reagiert, als ihnen der bevorstehende Auszug mitgeteilt wurde? Im ersten Moment seien sie traurig gewesen, hätten es aber auch verstanden.
Lucia hatte Tränen in den Augen. Wir seien zu Vater und Mutter geworden für sie.
Das Lernen lernen, bevor man Deutsch lernen kann
Rückblickend waren die gemeinsamen sieben Monate anstrengender, als erwartet. Ohne gemeinsame Sprache müsse wortwörtlich mit Hand und Fuss kommuniziert werden, erklärt Bernhard von Siebenthal:
«Ich konnte nicht sagen, Yonas solle den Kehricht hinausstellen. Ich musste es vorzeigen: Hinuntergehen, den Sack zeigen und am nächsten Morgen zusammen raus auf die Strasse, wo der Sack hingehört.»
«Ein grosser Vorteil des Zusammenlebens ist die Sprache. Leben die Geflüchteten mit Einheimischen, wird schneller Deutsch gelernt», heisst es bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Die von Siebenthals hatten von «schneller» eine andere Vorstellung.
Ich dachte, sie lernen schnell Deutsch, wenn sie mit uns zusammen sind. Ich war recht erstaunt, dass es so langsam ging.
Ihre Muttersprache Tigrinya sei so anders als Deutsch, dass es auch verständlich sei, dass sie ihre Zeit bräuchten, sagt Maria von Siebenthal.
In der Schule gehen sie mit ihren 19 und 21 Jahren in die Kurse für Jugendliche. Lucia ist im Alphabetisierungskurs. Yonas geht täglich in den Deutschunterricht. Daheim in Eritrea sei er bis zur 10. Klasse zur Schule gegangen, dann habe er auf dem Feld gearbeitet, sagt er.
Das Interesse der Gastfamilien lässt nach
Auch wenn der Aufwand für die Gastfamilien grösser ist als erwartet, geht das Projekt in Schaffhausen weiter. Mittlerweile leben 30 Leute bei 18 Gastfamilien, sagt Andi Kunz, der die Asyl- und Flüchtlingsbetreuung im Kanton Schaffhausen leitet.
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe will ihr Gastfamilienprojekt bis vorerst 2018 weiterführen:
Unser Interesse und Ziel ist es, dass das Konzept der Gastfamilien schweizweit als Teil des Integrationssystems eingeführt wird und dass so 500 oder mehr Gastfamilien ein ständig aktivierbares Netz bilden werden.
Allerdings ist die Welle der Solidarität kleiner als auch schon: Weil das Thema medial nicht mehr so präsent sei wie im letzten Herbst, gingen nur noch vereinzelte Anfragen von Gastfamilien ein, sagt Andi Kunz.
Der lange Weg
Die Sprachschule geht davon aus, dass mit einem Intensivkurs, wie ihn Yonas Mohbratu besucht, innert zwei Jahren das Niveau erreicht werden sollte, um eine Lehre machen zu können. Genau das hat er auch vor.
Ich möchte Deutsch lernen, eine Lehre als Automechaniker machen und auf eigenen Beinen stehen.
Auch wenn die beiden einen langen Weg vor sich haben, sie wirken motiviert, engagiert und zuversichtlich.
Und die von Siebenthals, würden sie wieder Leute aufnehmen? «Das wissen wir noch nicht», sagt Bernhard von Siebenthal. Es sei eine gute Zeit gewesen, aber im Moment bräuchten sie erst einmal eine Pause.